Der Wahlsieg von Alexander Van der Bellen verschafft der Regierung unter Bundeskanzler Christian Kern zumindest eine kleine Verschnaufpause. Das Ergebnis zeigt, dass die Freiheitlichen nicht automatisch alle Wahlen gewinnen, allerdings hat sich diesmal eine sehr breite Front gegen den blauen Kandidaten gebildet. Van der Bellen wurde von den Grünen, den Neos, der SPÖ und Teilen der ÖVP unterstützt – dem berüchtigten "Establishment". Norbert Hofer musste dagegen auf sein erweitertes Stammpublikum zurückgreifen, bekam aber auch Zuspruch von einem Flügel der ÖVP.

Für die Freiheitlichen ist dieser Wahlausgang nur bedingt ein Dämpfer, denn das Ergebnis zeigt trotz der Niederlage das gewaltige Mobilisierungspotenzial der Oppositionspartei, die in allen Umfragen an erster Stelle liegt. Für allfällige Neuwahlen, die im Frühjahr 2017 durchaus wahrscheinlich sind, hat sich die FPÖ mit dem überlangen Hofburg-Wahlkampf bereits warmgelaufen.

Ob die Grünen in einem solchen Ausmaß ebenfalls vom Wahlkampf und dessen Ergebnis profitieren können, ist fraglich. Van der Bellen hat sich nahezu bis zur Selbstaufgabe als gefälliger Kandidat der Mitte positioniert. In einem kommenden Wahlkampf wird sich die Partei von Eva Glawischnig wieder mit deutlicheren Positionen präsentieren und sich von jenen Parteien, die Van der Bellen diesmal unterstützt haben, scharf abgrenzen müssen. (Michael Völker, 4.12.2016)