Ursprünglich war der Satz als eine Art Warnung gemeint, doch dann wurde allmählich ein Versprechen daraus: Vor ziemlich genau einem Jahr hat Italiens Regierungschef Matteo Renzi angekündigt, seine Verfassungsreform um jeden Preis durchboxen zu wollen. Und mit jedem Preis meinte Renzi: Kommt keine Reform, geht er. Er wolle Italiens Politik effizienter, billiger, schneller machen, und dafür sei es eben unabdingbar, ihre Spielregeln zu ändern, vulgo: die Verfassung.

Die Personalisierung des Vorhabens war leichtsinnig und vermessen, weshalb Renzi sie später zurückgenommen hat. Bei seiner Rücktrittsrede, eine Stunde nachdem die Wahllokale geschlossen hatten, griff der geschlagene Premier den Satz wieder auf: "Es hat keinen Sinn, in einem politischen System weiterzuarbeiten, das von jeher von allen kritisiert wird, das zu ändern aber keiner bereit ist, wenn der Zeitpunkt da ist." Renzis Rücktritt war konsequent, auch wenn er sein Amt nie an den Ausgang des Votums hätte binden sollen. Wer in Italien etwas verändern möchte, muss zuerst einmal etwas grundsätzlich anders machen. Die Italiener aber sind ein konservatives Volk, sie misstrauen der Macht und strafen ab, wer sie gerade innehat.

Dass Renzis Reform so unmissverständlich abgelehnt wurde, lag nicht an der Reform selbst: In jeder Umfrage gab es kaum einen inhaltlichen Punkt der Reform, der nicht über 50 Prozent Zustimmung erhalten hatte, was kein Wunder ist. Ein Beispiel: 500 Tage dauert es in Italien im Durchschnitt, ehe ein Gesetz steht – mit der Reform hätten es 70 sein sollen. Herunterfahren wollte er auch die Anzahl der üppig bezahlten Senatoren: 315 sind es derzeit, dreimal so viele wie in den mehr als fünfmal so viele Einwohner zählenden USA.

Votum gegen Renzi

Renzis Reform bestand aus grundvernünftigen Neuerungen. Mit der Verknüpfung an seine Person aber hat er seinen Gegnern gleich selbst die Vorlage dazu geliefert, das Referendum zu einem Votum über Renzi und den allgemeinen Unmut zu machen. Und Unmut gibt es in Italien nicht nur sehr viel, der Gegenwind kommt auch noch aus allen Richtungen: Die geballte Opposition sowie namhafte Kollegen aus den eigenen Reihen haben Renzi zuletzt für alles verantwortlich gemacht, was in Italien schiefläuft.

Für die einen gingen Renzis Reformen zu schnell, für die anderen griffen sie zu langsam. In der Bevölkerung blieb derweil offenbar der Eindruck zurück, dass Italien und die EU so oder so weder Armut noch Migration verhindern können. Und dass Kapitalflucht und Staatsschulden das Einzige sind, was noch zunimmt.

Auf 2200 Milliarden Euro belaufen sich die Staatsschulden der drittgrößten Wirtschaft der Eurozone inzwischen. Dass Referenden und Wahlen nicht von Inhalten entschieden werden, sondern von Emotionen, haben Brexit und Trump-Sieg schon gezeigt.

Sollte Italien tatsächlich an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten, wäre ein internationales Finanzbeben die Folge. Darüber hinaus ist dort nicht eine, sondern es sind gleich zwei populistische Parteien im Aufmarsch.

Die rechte Lega Nord will aus der EU, die fundamental-oppositionelle Fünf-Sterne-Bewegung aus dem Euro aussteigen. Wie viele Senatoren in Rom sitzen, mag Brüssel egal sein. Wenn das Misstrauen in die blockadeanfällige Politik aber so groß ist, dass die Instrumente, die diese Blockade lösen könnten, abgelehnt werden, dann hat die gesamte EU ein Problem. (Anna Giulia Fink, 5.12.2016)