Premier Binali Yildirim versprach einen Megakredit für Unternehmen.

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Erst kamen die Kebab-Verkäufer, dann Binali Yildirim. Am Donnerstag verlas der türkische Regierungschef in der Runde von Ministern und Wirtschaftsexperten seinen Maßnahmenkatalog, ein Füllhorn an Konjunkturmaßnahmen. Zu Wochenbeginn aber waren die türkischen Einzelhändler, das Fußvolk der regierenden konservativ-islamischen AKP, der immer nur fallenden Währung zu Hilfe geeilt. Kebab, Haarschnitte oder Joghurtgetränke boten sie jenen gratis an, die in ihr Geschäft kämen und Dollarnoten in Lira umtauschten.

Tayyip Erdogan hatte diese Idee. Der türkische Staatschef sprach auch wieder von der ausländischen "Zinslobby", die es auf die Türkei abgesehen hätte und mit der Währung spekulierte.

Historische Werte

Bei 3,53 für einen Dollar stand die Lira noch am Dienstag. Am Mittwoch begann sie zurückzukrebsen und hatte sich Donnerstag bei 3,42 gefangen. Immer noch historische Werte. Vermutlich stoppten weniger die Gratiskebabs den Fall der türkischen Währung als die Aussicht auf das Konjunkturprogramm der Regierung und die Entscheidung der EZB in Frankfurt, ihr Anleihekaufprogramm bis Ende 2017 fortzusetzen. Davon erhofft sich auch die Türkei etwas.

Yildirim aber kündigte unter anderem erst einmal einen Megakredit von 250 Milliarden Lira (68 Milliarden Euro) für kleine und mittlere Unternehmen an sowie Arbeitsbeschaffung für eine halbe Million Türken.

Zweifel am Kurs der Türkei

Die Lira steht im Verhältnis zum Dollar weitaus mehr unter Druck als der Durchschnitt der Währungen in den anderen aufstrebenden Wirtschaftsländern. Die Abkoppelung begann im April dieses Jahres, kurz bevor Erdogan seinen damaligen Regierungschef Ahmet Davutoglu durch den noch loyaleren Binali Yildirim ersetzte und damit den faktischen Regimewechsel zu einem Präsidialsystem signalisierte. Seither beschleunigte sich der Verfall der Lira. Der vereitelte Putsch im Juli, die anschließende Verhängung des Ausnahmezustands und die Massenverhaftungen, die auch nicht vor großen Unternehmen haltmachten, verschreckten Investoren und drosselten den Konsum. Auch schürt der zunehmend aggressive Ton Ankaras gegenüber Europa die Zweifel am Kurs der Türkei.

Die Wirtschaftsleistung in den Monaten Juli bis September hat unter dieser politischen Instabilität gelitten. Die Auswirkungen der russischen Sanktionen vor allem auf den Tourismus und die anhaltende Bedrohung durch Terroranschläge in den Urlaubsorten kamen noch hinzu.

Analysten in Istanbul gehen deshalb von einem Minus von 0,6 Prozent im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr aus. Im vierten Quartal zeichnet sich eine deutliche Erholung ab, doch für 2016 wird nunmehr ein Wachstum von unter drei Prozent erwartet; 2,7 Prozent gelten unter Bankern derzeit als realistisch. Es wäre der niedrigste Wert seit 2012 und ein großer Unterschied zu den Boomjahren von 2010 und 2011, als die türkische Wirtschaft noch mit einem Plus von 9,2 und 8,8 Prozent glänzte. (Markus Bernath, 8.12.2016)