Angesichts des grausamen Anschlags in Istanbul am Wochenende zeigen wir Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer und verurteilen den Terror auf das Schärfste, auch jenen der PKK. Terror kann und darf niemals ein Instrument sein, um politische Ziele zu erreichen. Im Kampf gegen den Terrorismus, der rechtsstaatlich und auf Basis von demokratischen Gesetzen erfolgen muss, unterstützen wir die Türkei.

Nicht nur im Kampf gegen den Terror wollen wir Kooperation. Die Europäische Union braucht darüber hinaus in vielen Bereichen eine enge Zusammenarbeit mit der Türkei. Politisch, wirtschaftlich, kulturell und vieles mehr. Ein derart großes Land direkt an unserer Grenze sollte ein Partner sein, genauso wie umgekehrt für die Türkei die Europäische Union natürlich große Bedeutung hat, sowohl politisch und wirtschaftlich als auch geopolitisch und strategisch. Die EU befindet sich auch mit anderen Nachbarn im Dialog und arbeitet ständig daran, die Zusammenarbeit zu verbessern.

Genauso klar muss aber sein, dass die Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union keine Option ist. Der Beitritt der Türkei wäre für die EU von einer Dimension, die die Union politisch und wirtschaftlich deutlich überfordern würde, und die Fliehkräfte in der Union sogar bis hin zu einer Zerstörung dieser verstärken könnte. Diesen Realismus sollte man haben und auch die Ehrlichkeit, das auszusprechen. Die EU und die Türkei sollen eine maßgeschneiderte Partnerschaft eingehen mit gegenseitigen Rechten und Pflichten. Aber der Beitritt ist keine Option. Das bedeutet nicht, dass wir den Gesprächsfaden kappen. Wir wollen und müssen weiter im Dialog bleiben. Eine Weiterführung der Verhandlungen jedoch würde wegen ihrer Unehrlichkeit den Schaden in den Beziehungen der EU zur Türkei weiter vergrößern.

Nicht nur dass ein Beitritt die Europäische Union überfordern würde, vor allem aber bereiten uns die aktuellen Entwicklungen in der Türkei größte Sorge. Wie auch die Europäische Kommission in ihrem jüngsten Länderbericht in Sachen Türkei festgehalten hat, gibt es Rückschritte bei der Unabhängigkeit der Justiz und der Pressefreiheit. Andersdenkende werden eingeschüchtert, Oppositionspolitiker verhaftet, und man spricht offen über die Wiedereinführung der Todesstrafe. Hier braucht es eine klare Reaktion der Europäischen Union.

Dementsprechend hat das Europäische Parlament am 24. November eine Resolution beschlossen, die das Einfrieren der Gespräche über einen Beitritt verlangt. Diese Resolution war entschlossen und mutig. Vor allem aber war sie an Deutlichkeit nicht zu überbieten, weil sie über alle Parteigrenzen hinweg erfolgte. Auch das österreichische Parlament hat sich parteiübergreifend in diesem Sinne geäußert. Es wäre daher nur konsequent, dass die Vertreter der Mitgliedstaaten diesen Aufrufen Folge leisten und die Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei zumindest aussetzen.

Ein Einfrieren der Beitrittsverhandlungen wäre ein klares und angemessenes politisches Signal dafür, dass die EU als Wertegemeinschaft nicht bereit ist, über die negativen Entwicklungen in der Türkei hinwegzusehen. Das ist für uns auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der EU. Wenn wir strenge Maßstäbe an unsere Partner auf dem Westbalkan anlegen, dann müssen wir dies ohne Wenn und Aber auch gegenüber der Türkei tun. (Sebastian Kurz, Manfred Weber, 12.12.2016)