Berlin – Gregor Gysi ist neuer Vorsitzender der Europäischen Linken. Ein Kongress dieses Zusammenschlusses linker Parteien auf EU-Ebene wählte den ehemaligen Linken-Fraktionschef im Deutschen Bundestag mit 67,6 Prozent der Stimmen an seine Spitze. Einen Gegenkandidaten gab es nicht.

Gysi hatte 2015 sein Amt als Fraktionsvorsitzer im Deutschen Bundestag abgegeben. Nachfolger wurden Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht. Für den Deutschen Bundestag kandidiert er 2017 erneut. In seinem neuen Amt will Gysi die politischen Kräfte gegen soziale Spaltung in Europa bündeln.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte Gysi volle Unterstützung zu. Er sei "eine sehr wichtige Figur für die europäischen Linken", der neue Dynamik mitbringen werde, sagte Tsipras in seiner Rede vor den Kongress.

20 Jahre Parlamentserfahrung

Gysi war über Jahre der Star der Linken in Deutschland. Kurz nach dem Mauerfall übernahm der gelernte Rinderzüchter und studierte Anwalt aus Ostberlin noch den Vorsitz der DDR-Einheitspartei SED, aus der kurz darauf die SED-PDS wurde. Nach und nach, unabhängig von den jeweiligen Parteinamen, gehörte er dann zum Spitzenpersonal von PDS, Linkspartei und der Linken.

Auf Ämter war der heute 68-Jährige dabei nicht immer angewiesen. Mit mehr als 20 Jahren im Deutschen Bundestag ist Gysi inzwischen einer von Deutschlands erfahrensten Parlamentariern. Im Sommer 2015 gab er bekannt, nicht mehr für den Fraktionsvorsitz im Bundestag zu kandidieren und schied im Herbst aus dem Amt aus. Nachfolger wurden Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht.

Immer wieder wurden unterschiedliche Auffassungen zu Wagenknecht deutlich – etwa als Gysi einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten mit SPD und Grünen vorschlug und Wagenknecht das als "absurd" zurückwies. 2017 kandidiert Gysi erneut für den Bundestag. Als Vorsitzender der Europäischen Linken will Gysi die Kräfte der Linken in Europa bündeln, um "die soziale Spaltung und Perspektivlosigkeit in Europa" zu überwinden, wie er der "Tageszeitung" sagte.

Sohn eines Kulturministers

Gysi kommt aus einer Familie, die in der DDR bekannt war. Sein Vater war Kulturminister, Botschafter in Italien und Staatssekretär für Kirchenfragen. Der Sohn brachte es 1971 zum jüngsten Anwalt der DDR, vertrat später auch prominente Oppositionelle. Nebenher erzog er nach der Trennung von seiner ersten Frau alleine seinen Sohn.

Noch aus dieser Zeit rührt die Debatte, ob Gysi als Informeller Mitarbeiter (IM) für die Stasi Mandanten bespitzelt hat. Gysi selbst bestreitet dies vehement. Ein Strafverfahren gegen Gysi wegen Verdachts der falschen eidesstattlichen Versicherung in diesem Zusammenhang wurde mangels Beweisen eingestellt.

Immer wieder machte Gysi die Gesundheit zu schaffen. Er hat drei Herzinfarkte, einen Hörsturz und eine Hirnoperation hinter sich. Von seiner zweiten Frau Andrea Lederer – einer früheren PDS-Abgeordneten – ist er geschieden. Die gemeinsame Tochter ist inzwischen erwachsen. (APA, 17.12.2016)