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Die Mikroalge Chlamydomonas reinhardtii ist ein besonders gut erforschter wissenschaftlicher Modellorganismus. In Zukunft soll sie auch helfen, Allergene herzustellen.

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Innsbruck – Wenn der Heuschnupfen, allergisches Asthma oder eine andere allergische Reaktion die Lebensqualität einschränkt, ist eine Immuntherapie sinnvoll. Dabei wird das Immunsystem eines Menschen dem allergieauslösenden Stoff in immer stärkeren Dosen kontrolliert ausgesetzt, um den Körper an das Allergen zu "gewöhnen". Durch diese sogenannte Hyposensibilisierung reagiert das Immunsystem weniger stark auf Allergene, im besten Fall bleibt jede Reaktion aus.

Bei der spezifischen Immuntherapie werden Allergene – meist sind das Proteine oder Proteinverbindungen – regelmäßig unter die Haut gespritzt oder unter der Zunge verabreicht und von der Mundschleimhaut aufgenommen. Forscher des Management Center Innsbruck (MCI) und der Universität Salzburg gehen nun einen anderen Weg, der eine günstigere Herstellung sowie eine einfachere und wirkungsvollere Verabreichung der Substanzen verspricht. Sie lassen die Allergene von Algen produzieren.

Mikroalge Chlamydomonas reinhardtii

Die Wissenschafter verwenden für ihre Forschungen Chlamydomonas reinhardtii, die seit vielen Jahren in der Grundlagenforschung Anwendung findet. "Die Mikroalge ist einer der am besten bekannten Modellorganismen, für den viele molekularbiologische Methoden bereitstehen", sagt Alexander Trockenbacher, der sich am MCI mit Algenbiotechnologie beschäftigt. "Wir haben uns gefragt, ob für unsere Zwecke die Alge Vorteile im Vergleich zu etablierten Systemen wie Hefezellen haben könnte."

Gemeinsam mit dem Allergieexperten Michael Wallner von der Universität Salzburg haben sich die Innsbrucker Forscher zur Aufgabe gestellt, die verbreiteten Allergene der Birken- und Ambrosiapollen in Chlamydomonas herzustellen und so das Produktionssystem für Anwendungen in der Immuntherapie zu erproben.

Gene eingeschleust

"Zu diesem Zwecke haben wir die entsprechend adaptierten Gensequenzen der Hauptallergene in die DNA der Alge eingeschleust", so Trockenbacher. Und tatsächlich: "Wir haben herausgefunden, dass Chlamydomonas die gewünschten Allergenproteine herstellen kann."

Nun wird im Mausmodell getestet, ob die Algen in der Immuntherapie einsetzbar sind, bevor klinische Studien an Menschen folgen. Wenn alle Tests positiv absolviert sind, könnte die Algenallergene in einigen Jahren am Markt sein.

Vielversprechender Ansatz

In der Theorie sieht der Ansatz vielversprechend aus: "Das Produktionssystem verbindet eine Reihe von Vorteilen", sagt Christoph Griesbeck, der am MCI das Department Bio- und Lebensmitteltechnologie leitet. "Komplexe Proteine müssen in komplexen Zellen hergestellt werden, damit sie funktionieren. Viele therapeutische Antikörper werden etwa in Säugerzellen hergestellt. Der Vorteil der Alge ist, dass sie im Vergleich ein sehr preisgünstiges System ist, mit dem man relativ einfach in einem großen Maßstab produzieren kann." Grundsätzlich könne man alle komplexen Proteine inklusive Krebstherapeutika mit dieser Plattform herstellen.

Im Fall der spezifischen Immuntherapie weist das Produktionssystem Alge aber noch einen weiteren großen Vorteil auf. "Ein Aspekt, der diese Chlamydomonas reinhardtii besonders interessant macht, ist, dass sie als essbar und vollkommen ungefährlich für den menschlichen Körper eingestuft ist. Das heißt, man kann die Alge selbst samt dem in ihr produzierten Inhaltsstoff verabreichen – einfach als Schluckimpfung", sagt Griesbeck. Herstellungsprozesse wie Extraktion und Aufreinigung entfallen somit. Mit der "Lagerung" in der Alge bleibt das Protein stabil und muss nicht extra aufbereitet werden, um die Haltbarkeit zu verbessern.

Höhere Wirksamkeit

Es gebe zudem Hinweise darauf, dass die Immunwirkung des Allergens sogar noch verstärkt wird, indem es mit der Alge eingenommen wird. "Woran es liegt, dass sich diese Kombination als wirksamer erweist, ist noch nicht vollständig geklärt", sagt Griesbeck. "Vermutlich beeinflusst der Zucker, der in den Zellwänden der Alge enthalten ist, die Wirkung positiv." – Ein weiterer Punkt, der in den kommenden Jahren der Forschung geklärt werden soll. (Alois Pumhösel, 4.1.2017)