Thomas König, "The European Research Council".

€ 32,90 / 200 Seiten. Polity, London 2017.

Der ehemalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso war nicht als der große Wissenschaftsfreund bekannt. Dennoch hat er bei seinem Abschied die Einrichtung des Europäischen Forschungsrats (ERC) im Jahr 2007 als einen seiner "greatest hits" bezeichnet.

Diese Einschätzung findet wohl auch bei der Mehrheit der europäischen Wissenschafter Zustimmung, der ERC gilt als unbestrittene Erfolgsgeschichte: In fast zehn Jahren hat er rund 7000 Forscher mit insgesamt 40.000 meist jungen Mitarbeitern gefördert. Knapp 100.000 Artikel in internationalen Zeitschriften sind bisher daraus hervorgegangen, und der Erhalt eines ERC-Grants gilt als allgemeingültiger Qualitätsnachweis für exzellente Forschung.

Einer der wichtigsten Fonds der Welt

Doch wie kam es dazu, dass der ERC überhaupt ins Leben gerufen wurde und sich in so kurzer Zeit etablieren konnte? Thomas König ist diesen Fragen in einem neuen Buch nachgegangen, das schlicht mit "The European Research Council" betitelt ist und eine erste Gesamtdarstellung dieses Forschungsförderungsfonds ist, der längst zu einem der wichtigsten der Welt wurde.

Der Politikwissenschafter konnte dabei auf eigene Beobachtungen in Brüssel zurückgreifen: Von 2010 bis 2013 war er Berater der österreichischen Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny, die in diesen Jahren Präsidentin des ERC war. Diese ethnografischen Innenansichten kombiniert König gekonnt mit politikwissenschaftlichen Analysen und rekonstruiert in den ersten Kapiteln, wie die im Jahr 2000 erstmals geäußerte Idee allmählich konkrete Gestalt annahm.

Rekonstruktion und Dekonstruktion

König zeigt dabei, welche komplizierten Aushandlungsprozesse zwischen Politikern, Bürokraten und Wissenschaftern nötig waren, damit sich im politischen Milieu Brüssels ein nur nach wissenschaftlichen Kriterien operierender Fonds etablieren und dort auch gedeihen konnte. Seine Studie ist aber nicht nur Rekonstruktion dieser Erfolgsgeschichte, sondern ein Stück weit auch deren Dekonstruktion: indem sie anschaulich macht, wie es die ERC-Verantwortlichen geschickt verstanden, eine Aura der Exzellenz zu erzeugen, die nach wie vor hell strahlt. (tasch, 7.1.2017)