Schöne Augenblicke in der europäischen Geschichte? Eine Ironie? Der deutsche Kulturwissenschafter Bernd Jürgen Warneken meint es ganz und gar ernst. Mit seiner Auswahl historischer Sternstunden bezieht er klar Position.

Das französische Föderationsfest vom 14. Juli 1790 – "Urfest der bürgerlichen Emanzipation" -, den Gründungskongress der Sozialistischen Internationale im Juli 1889 und die Solidarisierung von Ausländern und Deutschen während der "wilden Streiks" im August 1973 sieht er als Schlüsselereignisse, die jeweils für den Beginn eines großen Emanzipationsprozesses stehen: nationale Einigung im Zeichen bürgerlicher Freiheit und Gleichheit; internationale Arbeiter- und Völkersolidarität; soziale Anerkennung und politische Gleichstellung von Zuwanderern.

Was daraus jeweils geworden ist, kann an den aktuellen europäischen Verhältnissen abgelesen werden. Dennoch weigert sich der Autor, das Scheitern sozialer Utopien als gesetzmäßig zu punzieren. Als positives Beispiel führt er den Bau von Moscheen in zahlreichen deutschen Städten in den frühen 2000er-Jahren an.

Durch die konfliktbedingt hergestellten Kontakte zwischen Moscheegemeinschaften und Umgebungsgesellschaft seien die Moscheen entgegen allen Erwartungen nicht zu Brückenköpfen des Islamismus, sondern zu Brückenorten geworden. Wobei der Autor einräumt, dass damit noch nichts über die künftige Entwicklung gesagt ist.

In seinem Versuch, "schöne Augenblicke der Sozialgeschichte vor ihren Verächtern zu retten", ist Warneken natürlich nicht naiv. Er anerkennt die Existenz divergierender Interessen und damit die Notwendigkeit des Kompromisses. Das dürfe aber nicht heißen, dass sich gesellschaftsspaltende Produktionsverhältnisse und Staatsordnungen unter das schützende Dach "unabschaffbarer Sozialkonflikte" flüchten dürften.

Soll heißen: Geschichte passiert nicht einfach, sie kann gestaltet werden – nach dem Prinzip Hoffnung. (Josef Kirchengast, 9.1.2017)