Der "Future Bus" mit CityPilot fährt teilautonom.

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Daneben eine frühe Annäherung ans unfallfreie Fahren im Rahmen des Forschungsprojekts Prometheus (1986 bis 1994).

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Anke Kleinschmit, die Leiterin der Konzernforschung, beim Vortrag in Berlin

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Ein Forschungsfahrzeug beim Plausch mit allen und jedem.

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Die Welt steht vor einem dramatischen Umbruch. Die Digitalisierung werde das Leben komplett verändern, davon zeigte sich das Team um Anke Kleinschmit, die Leitern der Daimler-Konzernforschung, beim vierten Mercedes Future Talk in Berlin überzeugt. Künstliche Intelligenz, vom Menschen entwickelt, kann diesen in vielen Fällen "overrulen", was auch nicht zu unterschätzende Gefahren birgt. Der Schweizer Universitätsprofessor Jürgen Schmidhuber demonstrierte dies an einem Beispiel aus der Medizintechnik. Ein Krebsscanner, von Spitzenexperten programmiert, vermag jetzt bessere Ergebnisse bei der Krebsfrüherkennung zu liefern, als es Menschen in der Lage sind. Dennoch ist Technik nicht unfehlbar.

Schon früher war der Horizont von Mercedes nicht bei neuen Modellen oder Produktionszahlen stehengeblieben. Themen wie Sicherheit, Umweltschutz, Mensch und Maschine wurden professionell abgehandelt – mit dem Ziel, die Erkenntnisse in das jeweilige Produkt einfließen zu lassen.

Autonomes Fahren

Für Fahrzeughersteller stellt momentan autonomes Fahren mit all den technischen Fragen die große Herausforderung dar, wobei Mercedes zugibt, dass sich dies auch durch die Initiativen von Google und Apple beschleunigt. In Science-Fiction-Filmen gleiten Passagiere auf sonnendurchfluteten Highways dahin, die Insassen geben sich der Kulinarik hin oder werken mit dem Laptop. Momentan noch Zukunftsmusik, aber der Weg geht in diese Richtung.

Die Öffnung der Tür zum autonomen Fahren ist allerdings nicht ganz so brandneu – schon gegen Ende des 20. Jahrhunderts befasste sich ein Mercedes-Team rund um Ernst Dickmanns, einen Professor für Luft-und Raumfahrtechnik, mit dieser Frage. Durch einen Computer auf Basis der Echtzeitauswertung von Bildfolgen wurden Lenkrad, Drosselklappe und Bremse des Versuchs-Benz gesteuert. Die große Herausforderung beim autonomen Fahren mit höherer Geschwindigkeit, stellte man rasch fest, lag in der schnell wechselnden Ansicht von Straßenszenen.

Obwohl Dickmanns Computer im Vergleich zu heute im Schneckentempo rechneten und GPS noch dem Militär vorbehalten war, schaffte es 1995 ein Mercedes 220 S, die 1758 km lange Strecke von München nach Odense in Dänemark und zurück weitgehend autonom zu fahren, teilweise mit 175 km/h auf der Autobahn.

Voll vernetzt

Diese Einschränkungen kennen moderne Experten dank der Digitaltechnik nicht mehr, wie Uwe Franke, bei Mercedes für Bildverstehen zuständig, in Berlin bestätigt. Das Zusammenspiel von Kameras, Sensoren und verbundenen Rechnern ist entscheidend. Längst übernimmt künstliche Intelligenz Funktionen, die früher Menschen vorbehalten waren. Das System zerlegt Bilder der Straßenszenen, es erkennt Menschen, Gebäude, Fahrzeuge, Bäume und Gehwege, selbst in Dunkelheit und bei Regen. Die Sensoren können bei Hunden inzwischen sogar die Rasse unterscheiden – Dickmanns verfügte damals nur über Schwarz-Weiß-Kameras, die farbige Unterschiede nicht erkennen konnten.

Lange Jahre war Funkstille um dieses Projekt, doch die Autonomie schlich sich leise in die Autowelt hinein. ABS. Und ESP. Das war ein großer Schritt, als Mercedes 1995 mit S-Klasse-Modellen auf einem zugefrorenen See in Schweden diese Fahrdynamikregelung demonstrierte.

Selbstverständlichkeiten

Autonomes Fahren, ein Weltwunder? Mitnichten. Für moderne Fahrzeugbenützer sind Kollisionswarner mit Notbremsfunktion, Spurhalteassistent, autonomes Notfallbremssystem mit Fußgängererkennung, neue intelligente Tempomaten, die per Kamera oder mithilfe von Navigationssystemen das Tempolimit erfassen, fast zur Selbstverständlichkeit geworden.

Dazu kommt das Navigationssystem mit seinen vielen Applikationen, wobei die Spracherkennung immer noch Probleme bereiten kann. In Brasilien versteht man das Portugiesisch aus Portugal kaum, Tonfärbungen in der Sprache können zu Hindernissen werden. Diese recht bescheidene künstliche Intelligenz lässt sich allerdings fast unbegrenzt ausbauen. Der Eingriff in Produktionsverfahren bis zur Digitalisierung der Fertigungsprozesse (mit etlichen negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung) steht bevor.

Zukunftsszenario

Alle Fahrzeughersteller der Welt wetteifern, zwischen 2020 und 2030 Level fünf der internationalen Skala für autonomes Fahren zu erreichen. Das bedeutet: Das Fahrzeug führt selbstständig Funktionen wie Spurwechsel, Spurhalten und Blinkerbetätigung aus, der Fahrer kann in der Zwischenzeit z. B. Mails beantworten, übernimmt aber nach Vorwarnzeit wieder die Führung. Das gesamte Umfeld bezüglich Rechtssicherheit, Versicherungen, Haftungen und gesetzlichen Bestimmungen ist aber noch ein weites, leeres Land. (Peter Urbanek, 24.1.2017)