Kanzler Kern will die Altenpflege im Heim via Erbschaftssteuer finanzieren. Doch der ÖVP schmeckt die Medizin nicht.

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Es ist eines von unzähligen Einzelschicksalen, die der Kanzler bei seiner Rede am Mittwoch zitierte. Frau M. landet nach einem Schlaganfall in einem Pflegeheim in Baden. Weil Pflegegeld und Pension bei Weitem nicht reichen, fressen die Kosten das angesparte Vermögen auf, vom Sparbuch bis zum eigenen Haus. Für die Erben bleibt: gar nichts.

Tatsächlich kann sich die Geschichte so ähnlich überall in Österreich abgespielt haben. Sämtliche Bundesländer bitten Pflegepatienten rigoros zur Kasse. Wer im Heim liegt, muss nicht nur 80 Prozent seines Einkommens abliefern, sondern auch das eigene Vermögen aufwenden – gewährte Freibeträge reichen von 4.190 Euro (Wien, Kärnten) bis 12.566 Euro (Niederösterreich). Sollte nach dem Tod noch eine Rechnung offen sein, greift die Behörde grundsätzlich auf den Nachlass zu.

Auch Vermögen, das vor dem Gang ins Heim verschenkt wird, kann eingezogen werden: In den Ländern gelten rückwirkende Fristen von drei bis fünf Jahren.

Pflegefall kann das ganze Erbe kosten

Wessen Eltern zu Pflegefällen werden, zahle unter Umständen also eine Erbschaftssteuer von 100 Prozent, argumentiert Christian Kern und übernimmt fast wörtlich eine Forderung von Hilfsorganisationen wie der Caritas: Anstelle dieses Glücksspiels sollten die Kosten via Erbschafts- und Schenkungssteuer solidarischer auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.

Wirklich breit streuen will Kern das Risiko aber auch nicht. Die Neuauflage der Steuer – die alte Version lief nach einem Höchstgerichtsurteil 2008 aus – soll erst ab einer Million greifen, wobei sämtliche Erbschaften binnen 30 Jahren zusammengezählt würden.

Gerade zwei bis drei Prozent der Haushalte besäßen ein Vermögen in dieser Dimension, rechnet Kern vor – was sich grosso modo mit diversen Verteilungsstudien deckt.

Steuersatz von bis zu 35 Prozent

Konkret peilt die SPÖ jenes Modell an, das sie bereits bei der letzten Steuerreform durchsetzen wollte, sagt Finanzsprecher Jan Krainer. Der Steuersatz soll demnach stufenweise von 25 auf 35 Prozent (ab zehn Millionen) steigen, bei Betriebsübergaben soll Ratenzahlung eingeräumt werden. Zwischen Kindern und ferneren Verwandten wird hingegen nicht unterschieden. Allerdings, verspricht Krainer, sei die SPÖ bei den Details "flexibel".

Dass die neue Steuer 500 Millionen pro Jahr verspricht, hat das ÖVP-regierte Finanzministerium im Zuge der Steuerreformdebatte bestätigt. Der Erlös sollte also reichen, um Pflegepatienten den Zugriff auf das eigene Vermögen zu ersparen: Der Entfall des Eigenregress würde die Länder laut SP-Rechnung im nächsten Jahr insgesamt 178 Millionen Euro kosten, im übernächsten 264 Millionen, um dann mit der Inflation auf 270 Millionen im Jahr 2021 zu steigen. Laut Kern-Plan verpflichtet sich der Bund, diesen Ausfall zur Gänze zu kompensieren.

ÖVP sieht den Zusammenhang nicht

Lassen sich schwarz-regierte Länder im Gegensatz zur Bundes-ÖVP davon ködern? Nachfragen des STANDARD fallen für Kern wenig ermutigend aus. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner schließt sich der VP-Generallinie an, wonach jede neue Steuer per se schädlich sei. Auch Salzburgs Landesregent Wilfried Haslauer lässt ein Nein ausrichten: Er sehe den Zusammenhang zwischen Pflegeregress und Erbschaftssteuer nicht.

Ein anderer Teil von Kerns Pflegeplänen hängt allein am Willen – und Budget – der Bundesregierung: Das Pflegegeld, das derzeit 457.229 Menschen beziehen, soll jährlich mit der Teuerung steigen. (Gerald John, 13.1.2017)