Im Trachtenjanker Orden umhängen: Hermann Schützenhöfer mit den Geehrten Josef Pühringer, Michael Häupl, Erwin Pröll.

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Man ist ja so einiges gewöhnt in Österreich, aber mitunter trifft einen die Absurdität der alpenländischen Politrealität trotzdem wie eine Keule. Wie bitte? Soll das ernst sein?, twitterte sogar der wahrlich hartgesottene Claus Pándi angesichts des Folklorefotos mit den vier Landeskaisern in Schladminger Janker plus kleidsamem Hut.

Man kann Pándi einmal nicht widersprechen. Was genau sollte dieses Treffen, sollten diese Bilder zu diesem Treffen aussagen? Vier alte, mit sich selbst höchst zufriedene Herren hängen einander jovial Orden um (warum bekam Pröll einen von den Steirern? Weil er zwei Jahrzehnte lang den Semmeringbasistunnel blockierte?), klopfen einander auf die Schultern und versichern, wie gut jeder sein Land bestellt habe. Feudalherrschaftliche Zusammenkünfte im Mittelalter müssen so ähnlich verlaufen sein.

Schräges Selbstverständnis

So retro diese Episode auch anmutet, so typisch ist sie für das Selbstverständnis dieses (männlichen) Politikertyps. Über alle Parteigrenzen hinweg kann man sich schlecht vorstellen, dass österreichische Spitzenpolitikerinnen (egal welcher Couleur) ein derart peinliches Schauspiel an Selbstüberhöhung geben würden.

Insofern stimmt Prölls Hofübergabe zwei Tage später an Johanna Mikl-Leitner positiv: Was auch immer sie da über große Fußstapfen und hohe Ehre und große Verantwortung sagte – gewisse Politrituale wird sie trotz alledem in die Mottenkiste stopfen, und das ist nicht die schlechteste Aussicht.

L'état c'est moi

Wer das Universum des Erwin Pröll verstehen wollte, muss nur die Augen aufmachen, um zu staunen: Besucht man etwa ein niederösterreichisches Hotelrestaurant mit Kindern, wird die Kellnerin, wenn sie nett ist, einen Block und Buntstifte, gestiftet vom NÖ-Tourismusverband, spendieren. Auf beidem wird Erwin Pröll den Kindern viele bunte Stunden und schöne Bilder wünschen. Besucht man einen niederösterreichischen Eislaufplatz oder eine niederösterreichische Skipiste, sind dort viele Kinder mit blau-gelben Helmen zu sehen und einem Schriftzug, der darüber informiert, dass "helle Köpfe Schutz brauchen – Erwin Pröll". Fährt man mit der Gondelbahn auf die Rax, wünscht der Landeshauptmann höchstpersönlich eine gute Fahrt.

Es gibt unzählige Beispiele wie diese. Da ist eine höchst undurchsichtig geführte Privatstiftung nur der logische Schlussstein. Oft, so heißt es, habe Pröll gar nichts dazu tun müssen – seine Getreuen in Landesregierung und -verwaltung hätten schon in vorauseilendem Gehorsam nach dem Motto gehandelt: "Tu Gutes und rede darüber, dass es Erwin Pröll war."

Verästeltes System

Der Vergleich zu Wien drängt sich auf. Auch in Michael Häupls Welt ging bis dato nichts ohne ihn – auch wenn derart offensiver Personenkult in der Bundeshauptstadt nicht möglich wäre. Dennoch: Häupl sorgte selbst dafür, dass ihn in Wien jeder Marktstandler kannte, und im Übrigen ließ er dafür sorgen, dass die sozialdemokratischen Segnungen jede Pore Wiener öffentlichen Lebens durchdrangen. Das hat seine Meriten, aber auch seine Fallstricke: Die fraglos gut verwaltete Stadt verfügt über ein feinstverästeltes Geflecht an ausgelagerten Gesellschaften, Holdings, Vereinen, deren Gebarung oft undurchsichtig ist. Die Vermutung, dass hier viel Geld auch schlicht verschleudert wird oder versickert, ist nicht von der Hand zu weisen. Wer das aber auch nur andeutet, gilt als neoliberaler Nestbeschmutzer – St. Pölten lässt grüßen.

Das Geld geht aber langsam aus, die Anforderungen werden immer höher. Man muss Häupl und seinem Team Respekt zollen, dass sie sich weigern, die Standards im Sozialbereich hinunterzuschrauben. Und dennoch: Gespart wird an allen Ecken und Enden, man muss sich nur einmal im Bereich der Jugendwohlfahrt umhören.

Überholtes Politverständnis

Die Unzufriedenheit wächst diametral dazu, und parallel die Sympathie der Wähler für die FPÖ. Das ist nicht nur in Wien so. Glaubt man der Tendenz der jüngsten Umfragen, ist die Mehrheit der rot-schwarzen Koalitionsregierung im Bund nur mehr eine theoretische Größe.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Parteien für viele Außenstehende so wirken, als hätten sie sich zum Teil selbst überlebt – siehe die vier Männer mit Hut mit ihren Orden. Christian Kern und Reinhold Mitterlehner machen zwar durchaus den Eindruck, als sei ihnen das klar. Aber die föderalen Machtverhältnisse binden ihnen die Hände. Zeit wird's, dass sich hier etwas ändert, nicht nur im Stil, auch im Inhalt. Sonst ändert sich wohl recht bald alles im Staate Österreich. (Petra Stuiber, 19.1.2017)