Wien – Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) bietet der SPÖ bei der Abschaffung der kalten Progression einen Kompromiss an. Sowohl ÖVP als auch SPÖ wollen ja seit längerem das Ende der schleichenden, inflationsbedingten Steuererhöhung. Beim Wie liegen beide Parteien aber noch auseinander. Die ÖVP will alle Steuerzahler entlasten, die SPÖ nur untere Einkommen. Schelling will nun beide Modelle übereinanderlegen.

Das Volumen der Entlastung durch eine Abschaffung der kalten Progression wird auf rund 400 Millionen Euro geschätzt. Geht es nach Schelling, sollen künftig alle Tarifstufen der Lohnsteuer von 11.000 Euro beginnend bis ganz hinauf zu 90.000 Euro um die Inflationsrate angepasst werden, sobald diese sich um fünf Prozent erhöht hat. "Das dauert im Regelfall drei Jahre, und durch die Erhöhung des Tarifsatzes um fünf Prozent wird die kalte Progression abgefedert", erklärte Schelling im APA-Sonntagsinterview.

Zehn Prozent für die Ärmeren

Der Finanzminister möchte eine lineare und gleichmäßige Entlastung, von der auch jene profitieren, die mehr Steuern zahlen. Die SPÖ will indes im Falle des Erreichens des Inflationsschwellenwertes jeweils ein Gutachten erstellen lassen und nur jene Steuerstufen entlasten, die besonders von der Inflation betroffen sind. Schelling schlägt nun als Kompromiss vor, dass die Abschaffung zu 90 Prozent linear für alle Tarifstufen der Lohnsteuer gilt und damit auch allen zu Gute kommt, zehn Prozent des Volumens, also rund 40 Millionen Euro sollen für jene Tarifstufe reserviert werden, die am stärksten unter der Teuerung leidet.

Wenn das Wirtschaftswachstum unter ein Prozent fällt, dann soll die Regierung laut Schelling zudem "temporär beschließen" können, die Abschaffung der kalten Progression auszusetzen. "Weil dann die Mittel im Steueraufkommen benötigt werden, um zum Beispiel Investitionen zu befeuern", so der Minister. "Das ist der Kompromissvorschlag, und der wäre eigentlich geeignet, dass man das Thema kalte Progression rasch vom Tisch kriegt." Für Schelling handelt es sich um "ein typisches Beispiel, wo sich alle einig sind, und dann streiten wir ein Jahr darüber, wie wir es tun. Das erzeugt dann dieses Bild der Regierung, das alle haben." Eine Umverteilungsaktion, wie von der SPÖ präferiert, lehnt Schelling ab. "Eine reine Umverteilungsmasche wird es mit mir nicht geben."

Entlastung bei Sozialversicherung

Eine Entlastung unterer Einkommen kann sich der Finanzminister bei der Sozialversicherung vorstellen. Derzeit müssen Einkommensbezieher ab Erreichen der Geringfügigkeitsgrenze von 425,70 Euro bis zum Erreichen der Steuerpflicht, die bei rund 1.000 Euro pro Monat beginnt, die volle Sozialversicherung zahlen. Schelling plädiert für ein Einschleifmodell: "Zwischen Geringfügigkeit und 700 Euro zahlt man nur den halben Sozialversicherungssatz, von 700 bis 1.000 Euro zahlt man 75 Prozent des Satzes", so der Vorschlag des Ministers. "Das würde dazu führen, dass Menschen aus der Geringfügigkeit wieder in ein Arbeitsverhältnis hinein gleiten können. Viele scheuen sich davor, weil sofort die vollen Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind."

Der Debatte um eine weitere Steuerreform will sich Schelling nicht verschließen: "Man könnte eine weitere Tarifsenkung vornehmen, indem man Ausnahmen beseitigt. Wir werden mittelfristig aber eine Steuerstrukturreform brauchen und nicht nur eine Tarifreform."

Im April wird Schelling dem Parlament den neuen Bundesfinanzrahmen bis 2020 vorlegen. Einsparungen von knapp vier Milliarden Euro sind dabei angepeilt. Dieses Volumen hatte der Minister bereits vergangenen Woche in seiner Reformrede "Pakt für Österreich" präsentiert. "Dem wurde von niemandem widersprochen. Offensichtlich sind alle der Meinung, das kann man sehr wohl machen." Schelling geht davon aus, dass sich SPÖ und ÖVP ohne gröbere Reibereien auf den Finanzrahmen einigen. (APA, 22.1.2017)