Als es im Juli um die Nachfolge des zurückgetretenen David Cameron ging, stand schnell fest: Theresa May muss es werden. Alle Rivalen entpuppten sich entweder als peinliche Leichtgewichte oder begingen politisches Harakiri. Die damalige Innenministerin galt als ernsthafte Kandidatin für schwierige Zeiten.

Ein halbes Jahr danach gibt es Zweifel an Mays Eignung fürs höchste Regierungsamt. Ihre am Montag vorgestellte Industriepolitik enthält nichts als fromme Wünsche. Die Art und Weise, wie sie den ernsten Zwischenfall mit einer britischen Atomrakete zu vertuschen versuchte, verrät einen gefährlichen Hang zu Geheimniskrämerei. Im Parlament geht die 60-Jährige selbst mit freundlich vorgetragenen Einwänden um, als gefährdeten die Fragesteller die nationalen Interessen.

Dabei ist es May, die in der wichtigsten Frage britischer Politik, der Ausgestaltung des Brexit, den Interessen des Landes zuwiderhandelt. Mit ihren Vorstellungen von einem harten Brexit vertieft sie die ohnehin vorhandene Spaltung des Landes. Sie ist keine Premierministerin für alle Briten, sondern lediglich für einen Teil der Brexit-Befürworter – nämlich für all jene, denen das wirtschaftliche Wohlergehen des Landes vollkommen egal ist, solange nur die Grenzen für Polen und Rumänen dichtgemacht werden.

Im Brexit-Gerichtsverfahren hat May schwere Fehler begangen, indem sie auf ihre schlechten Juristen hörte und sogar nach der klaren Niederlage vor dem High Court keinen Kurswechsel anordnete. Der Supreme Court hat der Regierung klar die Grenzen aufgezeigt. Einstweilen deutet wenig darauf hin, dass May und ihre Leute daraus lernen. (Sebastian Borger, 24.1.2017)