Jean-Baptiste Greuze: "Knabe mit zerbrochenem Ei" (1756).

Foto: Albertina

Wien – Einmal auf den Spuren der französischen Aristokratie des 18. Jahrhunderts die Weltflucht anzutreten, das ist aktuell in der Albertina möglich. "Poussin bis David" heißt eine Ausstellung, mit der das Haus Einblicke in seinen reichen Bestand an Zeichnungen des französischen Barock und Rokoko gibt. Idealisierte Landschaften tun sich da vor einem auf, aber auch mythologische Szenen, Hirtenidyllen, pittoreske Ruinen.

In 67 Arbeiten, die Kuratorin Christine Ekelhart-Reinwetter aus insgesamt 2.800 auszuwählen hatte, wird die Fantasieproduktion des Ancien Régime einsehbar, einer Titanic, die freilich auf ihren Untergang in Form der Französischen Revolution zusteuerte. Dieser "Fluchtpunkt" verleiht der Schau reizvolle Untertöne, während man sich zuvörderst natürlich vor allem einer Epoche der künstlerischen, zeichnerischen Blüte nähert.

Das Präludium der Ausstellung, die nicht zuletzt von der Autonomisierung der Zeichnung gegenüber dem Gemälde erzählt, bilden Arbeiten aus dem 17. Jahrhundert: Ein "Satyr und eine Nymphe mit einem Ziegenbock und einem ruhenden Amor" von Nicolas Poussin oder ein Hirtenbild Claude Lorrains. Nicht zuletzt stehen diese beiden Künstler auch für den regen Austausch mit Italien: Sie lebten eigentlich in Rom und wurden von Kardinal Richelieu nach Paris zurückgeholt, wo sie für die Etablierung eines nationalen französischen Stils maßgeblich wurden.

Die eigentliche Blütezeit der Zeichnung setzte indes mit Jean-Antoine Watteau im 18. Jahrhundert ein. Wegweisend war einerseits der von ihm eingeführte Bildtypus der "fêtes galantes", worunter Darstellungen oft kostümierter, sich der Muße hingebender Liebespaare in idyllischen Landschaften zu verstehen sind.

Verstärkt wurde deren Anmut dabei durch Watteaus "Drei-Kreiden-Technik", für die er schwarze und weiße Kreide sowie Rötelfarbe miteinander verband. Beeinflusst war von ihm unter anderen auch François Boucher, der vor allem durch Porträts der Madame de Pompadour berühmt wurde und zu einer Zentralfigur des Rokoko wurde, insofern er den Glanz der bloßen Oberfläche vielleicht am weitesten trieb.

Verklärte Geschichte

Mit Stadtansichten ist hingegen Charles-Joseph Natoire in der Albertina vertreten, der für die Verfremdung seiner "Ansicht der Tiberinsel" auf einen bühnenartigen Vordergrund setzte. Für Hubert Robert waren dagegen häufig Monumente der Geschichte der Ausgangspunkt seiner Idealisierungen.

An die Wende zum Klassizismus führt Kuratorin Ekelhart-Reinwetter dann mit Jean-Baptiste Greuze. In Abkehr auch von Boucher verlegte sich Greuze auf didaktisch-moralisierende Darstellungen, wollte den zeitgemäßen Vorstellungen von Empfindsamkeit und Moral gerecht werden.

Von erzieherischer Motivation ist etwa Greuze' Diptychon vom "undankbaren Sohn", der zunächst "verloren" geht, insofern er entgegen dem Willen des Vaters in den Krieg zieht und anschließend dadurch bestraft wird, dass er den Vater erst am Totenbett wieder antreffen darf.

Einer der wenigen politischen Künstler und ein Anhänger der Französischen Revolution bildet schließlich den Abschluss der Schau: der Klassizist Jacques-Louis David, von dem das monumentale, an Homers "Ilias" angelehnte Historienbild "Die Kämpfe des Diomedes" aus dem Jahr 1776 zu sehen ist: die Darstellung einer Massenschlacht, die ebenso auf ethisch-sittliche Erziehung abzielt – insofern sie Gefühle für Ehre, Heldentum, Patriotismus erwecken sollte. (Roman Gerold, 25.1.2017)