"Lechts und rinks sind reicht zu velwechsern", schrieb einst Ernst Jandl. Das galt damals weniger als heute. Noch vor einigen Jahren wusste jeder, was ein Schwarzer und was ein Roter ist. Aber jetzt? Bei der Bundespräsidentenwahl verliefen die ideologischen Grenzen anders. Und auch bei Donald Trump und Wladimir Putin tun sich die Beobachter schwer bei der Entscheidung, wer hier ein Konservativer und wer ein Progressiver ist.

Bei der Präsidentenwahl traten ein Grüner und ein Blauer gegeneinander an. Neu-Links gegen Neu-Rechts? Ja und nein. Ist Alexander Van der Bellen denn nun ein Linker? Ja, sagten seine Gegner im Wahlkampf. Aber gestandene Konservative traten öffentlich für ihn ein, unter ihnen ÖVP-Urgesteine wie Franz Fischler und Christian Konrad. Umgekehrt wählten viele langjährige Sozialdemokraten den Rechten Norbert Hofer. Nicht mehr die klassischen Unterscheidungsmerkmale – hie Arbeiter, da Bürger – gaben den Ausschlag, sondern unter anderem die Frage, wie man mit Flüchtlingen und Zuwanderern umgehen soll.

Gustav Peichl hatte für die ältere Generation scheinbar ein für alle Mal die politischen Archetypen Österreichs in seinen Karikaturen festgehalten. Da war der Sozi mit der Schirmmütze und dort der ÖVPler mit dem Steirerhut. Etwas anderes gab es nicht. Inzwischen sind neue Typen und neue kulturelle Unterschiede dazugekommen. Bobo oder Spießer? Biofan oder Schnitzelesser? Die Bundeshymne mit oder ohne große Töchter? Lodenmantel oder Kapuzenjacke? Wer ist "wir", und wer sind "die"? Und um die Verwirrung vollends zu vergrößern, gibt es auch noch bekennende Linke und sogar Grüne, die offen zugeben, dass sie sowohl das gesunde Tofulaibchen wie auch das politisch korrekte Binnen-I nicht leiden können.

Auch in seriösen politischen Fragen sind scheinbar unumstößliche Kategorien ins Wanken gekommen. So war bei österreichischen Deutschnationalen seit jeher Deutschland der Sehnsuchtsort, und die östlichen Gegenden der Habsburgermonarchie galten als minderwertig. Neuerdings ist für die FPÖ Merkel-Deutschland pfui und Orbán-Ungarn ein Vorbild. Und gehört Österreich geistig und politisch eher zum Westen und damit zum Kern der EU oder eher zu den Visegrád-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei? Und wie hat sich all das geändert, seit Trump Präsident der USA ist?

Verwirrung, wo man hinschaut. Höchste Zeit, dass auch unsere Parteien, voran die Sozialdemokratie, ihre Programme überdenken und anpassen. Die Begriffe rechts und links werden wohl bleiben, aber sie werden anders definiert werden. Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit, sagte einst Andreas Khol. Für Parteiprogramme gilt das ebenfalls. Die Aufgabe ihrer Autoren ist es, festzuhalten, welche Werte unabdingbar sind, auf welche man verzichten kann und welche neu dazukommen.

Der scheidende deutsche Bundespräsident Joachim Gauck, einst von der SPD aufgestellt, hat das neulich so definiert: Die entscheidende Grenze verläuft nicht zwischen rechts und links, sondern zwischen Demokraten und Nichtdemokraten. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 25.1.2017)