Ein heißer frühsommerlicher Nachmittag Ende des 20. Jahrhunderts in Fushë Kosova, am Gazimestan auf dem Amselfeld. Die offizielle Gedächtnisfeier, organisiert vom Bund der serbischen Kommunisten zur Begehung des 600. Jahrestags der Schlacht auf dem Amselfeld, die im frühen Mittelalter in die Annalen des serbischen Volkes als große historische Schmach gegen die ottomanischen Besatzer einging, als die größte Niederlage, die man seither immer wieder feierte und die von Nationalisten als Teil der eigenen Identität hochstilisiert wurde. Spätestens an diesem 28. Juni 1989 trat jener Mann auf die Bühne der Weltpolitik, der später als Schlächter des Balkans bekannt werden sollte – Slobodan Milosevic.

Und es war seine Brandrede, die am religiösen Volksfeiertag Vidovdan – der in der serbischen Tradition in historisch-mythisch überhöhter Verbindung zum Amselfeld steht – als wesentlicher Schritt auf dem Weg in die Kriegswirren der 1990er-Jahre gewertet wird. Sozusagen als einer der wichtigsten Belege für die militant-nationalistische Gesinnung der zukünftigen Politik Milosevics.

Was hat dieser historische Auftritt im Kosovo nun mit der Inauguration des 45. Präsidenten der USA zu tun?

Während der letzten Wochen hat Timothy Snyder, Professor für osteuropäische Geschichte und Holocaustforscher an der Yale-Universität, international für viel Aufsehen gesorgt, indem er den Aufstieg Donald Trumps strukturell mit jenem Adolf Hitlers verglich – mit Verweis auf bestimmte Phänomene aus der Geschichte, die sich zwar nicht unbedingt wiederholen, aber auf bestimmte Prozesse und Muster dringend aufmerksam machen. So auch groß erwartete Reden, die als richtungsweisend gesehen bzw. im Nachhinein historisch verwertet werden. Dafür muss man nicht erst in die 1930er-Jahre zurückblicken – es reicht auch ein Blick in die nicht allzu ferne Vergangenheit, um sehr nüchtern ernste Muster zu erkennen.

Obwohl die Krise der serbischen Identität und die kritische Selbstfindung des serbischen Volkes ab Anfang der 1980er-Jahre als Instrumente der politischen Manipulation nicht mit der aktuellen Politik des neuen US-Präsidenten direkt vergleichbar sind, so lassen sich aus den Auftritten der zwei politischen Akteure, Milosevic 1989 und Trump vor einigen Tagen, doch ernsthafte strukturelle Vergleiche ableiten.

Serbiens Ethnonationalismus

Milosevic nutzte Ende der 1980er-Jahre die damaligen gesellschaftspolitischen Probleme in Jugoslawien und projizierte in diese u. a. auch die Krise der serbischen nationalen Identität, während Trump die akute globale Krise des politischen Establishments für die Projizierung einer Neudefinition der nationalen Einheit der USA nutzt. Verwendete Milosevic den jugoslawischen Staatssozialismus ursprünglich als Fassade für den aufkommenden Ethnonationalismus, behauptend, dass alle Völker in Serbien vereint wären, so hebt Trump die USA als multiethnische Gemeinschaft hervor, wo jeder, unabhängig von Hautfarbe, "das gleiche Blut für sein Land in sich trägt".

Dass diese Aussagen im Kontrast zur getätigten bzw. angekündigten Realpolitik stehen, muss an dieser Stelle nicht weiter elaboriert werden. Beide äußern auch, dass sie revolutionären Bewegungen vorstehen, die lange unerfüllten gesellschaftspolitischen Erwartungen entsprechen werden: der jahrhundertelang erwarteten Vereinigung aller Serben und der aktuellen Revolte des amerikanischen Volkes.

Kämpfer für die Vergessenen

Beide Politiker wollen, dass ihre Zugänge auch anderen als Vorbild für ein modernes National- bzw. Staatsdenken dienen, in dem die jeweils eigene Nation an erster Stelle kommt. 1989 ging es um die vergessenen Serben und 2017 um die "vergessenen Männer und Frauen der USA".

Und so wie Serbien 1389 die Grenzen Europas vor dem feindlichen Islam schützte, so haben auch die USA anhand horrender Unkosten fremde Grenzen geschützt und die zivilisierte Welt verteidigt. Das Vorwegnehmen, dass man der Einzige ist, der die Stimme des Volkes – und zwar jenes, dessen Stimme bis jetzt nicht erhört wurde – wahrnehmen kann, gehört genauso zum Inhalt von Milosevics wie auch Trumps Rede.

Obwohl zeitlich, geografisch und vor allem geopolitisch weit auseinander, lassen sich innerhalb beider Auftritte – semantisch sowie syntaktisch – starke Parallelen feststellen, die einer vertiefenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung bedürfen.

Die festgehaltenen Vergleiche können aber als Indizien gesehen werden, die ein ähnliches realpolitisches Verständnis implizieren. Um dieses nachzuvollziehen, sollte man sich an den Werdegang von Milosevic erinnern, vom hoffnungsvollen jungen Banker über den kommunistischen Apparatschick und nationalen Ideologen bis hin zum kriegsführenden Diktator. Das wirklich Brandgefährliche dabei war der Umstand, dass im Vordergrund dieser Wandlungen lediglich ein wertebefreites Motiv stand: zuerst die reine Machtmaximierung und später deren bloßer Erhalt. Um jeden Preis. Der Preis auf dem Balkan waren hunderttausende Tote und Vertriebene.

Es bleibt nun die Realpolitik der USA abzuwarten und zu hoffen, dass diese ursprünglichen Parallelen auch nur solche bleiben. (Filip Radunovic, 29.1.2017)