Die Ähnlichkeiten mit dem Menschen halten sich in Grenzen: Saccorhytus coronarius war etwa einen Millimeter klein, hat ein großes sackartiges Maul und (vermutlich) Vorformen von Kiemen in Gestalt der kleinen Körperöffnungen.

S Conway Morris / Jian Han

Cambridge/Wien – Vor etwas mehr als 150 Jahren zeichnete der deutsche Biologe Ernst Haeckel den ersten Stammbaum des Menschen. Homo sapiens bildete natürlich die Krone dieses Baums, darunter kamen die Menschenaffen, dann die Affen, wieder darunter die Halbaffen, die Ursäuger, die Amphibien und so weiter.

Was aber stand ganz zu Beginn dieser Entwicklung zu den Wirbeltieren, zu denen letztlich auch der Mensch gehört?

Rückschüsse aus der Embryonalentwicklung

Haeckel hatte dazu immerhin einen methodischen Vorschlag: seine 1866 aufgestellte biogenetische Grundregel. Demnach wiederhole sich in der Embryonalentwicklung die Stammesgeschichte – oder anders formuliert: "Die Ontogenese rekapituliert die Phylogenese." Zwar gilt Haeckels Anspruch, damit ein biologisches Gesetz formuliert zu haben, als widerlegt. Ihre heuristische Bedeutung hat die Regel aber bis heute nicht verloren.

Gegenwärtig geht die Forschung davon aus, dass ganz am Beginn der Entwicklung hin zu den Wirbeltieren die sogenannten Neumünder oder Deuterostomia standen, deren erste Vertreter vor rund 520 Millionen Jahren lebten. Neumünder haben einige Merkmale, die sich bei ihren Nachfahren – neben den Wirbeltieren noch die Stachelhäuter (wie Seesterne) – in der Embryonalentwicklung zeigen. Aus dem Urmund entwickelt sich der Anus, und der Mund entsteht neu (deshalb auch der Name). Zudem liegt das Zentralnervensystem rückenseitig, und die Körper sind symmetrisch.

Urform der Neumünder

Was aber war vor den Neumündern, die als die frühesten "Vorfahren" des Menschen gelten?Ein internationales Forscherteam dürfte nun in der zentralchinesischen Provinz Shaanxi fündig geworden sein. Wie der Paläobiologe Simon Conway Morris (Uni Cambridge) mit Kollegen aus England, Deutschland und China im Fachblatt "Nature" berichtet, entdeckten die Forscher in 540 Millionen Jahre altem Kalkgestein die Fossilien von Meeresbewohnern, die allem Anschein nach eine Art Urform der Neumünder bildeten.

"Für das nackte Auge sehen die Fossilien wie kleine schwarze Körner aus. Aber unter dem Mikro skop sind die Details höchst erstaunlich", sagt Conway Morris über die gut einen Millimeter kleinen Lebewesen, die den Namen Saccorhytus coronarius erhielten. So fanden sich zwar viele Ähnlichkeiten mit Neumündern (unter anderem ein symmetrischer Körper), allerdings fehlte den Minimeerestieren ein Anus.

Sackartiges Maul und weitere Körperöffnungen

Stattdessen besaß Saccorhytus coronarius ein vergleichsweise großes sackartiges Maul, das die Nahrung aufnahm. Über den Körper verteilt, sind nämlich weitere acht Körperöffnungen, die eine primitive Vorform von Kiemen gewesen sein könnten, um das unnötige Wasser wieder abzugeben. Resümierend zeigen sich die Forscher beeindruckt von der Komplexität der Kreatur, aus der 540 Millionen Jahre später der Mensch wurde. (tasch, 30.1.2017)