Mehr als 600.000 Menschen unterzeichneten das Volksbegehren gegen Ceta und TTIP. Einen fertigen Abkommenstext gibt es nur zu Ersterem, aber das störte nicht weiter.

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Ober-Grafendorf, Weinburg oder Traisen gelten nicht unbedingt als Hotspots in der politischen Landschaft Österreichs. Das hindert ihre jeweiligen SPÖ-Bürgermeister jedoch keineswegs daran, sich als Kämpfer gegen die Globalisierung zu stilisieren. Sie haben sich entschieden, im Windschatten der europaweiten Diskussion rund um Freihandelsabkommen mit Kanada und USA, eine Art Zwischenwahlkampf im Land unter der Enns anzuzetteln. Und da gegen die übermächtige niederösterreichische ÖVP offenbar anders kein Staat zu machen ist, hat man ein Thema gewählt, bei dem Gemeinden von vornherein absolut keinerlei Zuständigkeit haben: Außenhandel. Und so kam es, dass Österreichs Bürger und Bürgerinnen aufgerufen waren, ein von diesen Bürgermeistern initiiertes Volksbegehren gegen TTIP, Ceta und Tisa zu unterstützen.

Dass das Instrument Volksbegehren damit wieder einmal für parteipolitische Zwecke missbraucht wurde, daran hat man sich in Österreich schon gewöhnt. Dass diesmal jedoch die unterste (und erste) Ebene der Politik – die Gemeinden – der dritten Ebene (dem Bund) mittels Verfassungsgesetz verbieten möchte, auf der vierten Ebene der Politik (der EU) ein internationales Abkommen auf der wohl fünften Politikebene (der internationalen Ebene des Völkerrechts) zu unterzeichnen, hat eine neue Qualität.

Hier wurde gewollt und mit kühler Berechnung auf Kosten des europäischen Mehrebenensystems simple Parteipolitik im Hinblick auf die kommenden Landtagswahlen in Niederösterreich (zweite Politikebene) betrieben. Eine Handvoll SPÖ-Bürgermeister profilierte sich auf Kosten anderer Politikbereiche. Und das Ganze ohne Gefahr für ihren eigenen politischen Bereich – denn beim Abschluss internationaler Verträge haben österreichische Gemeinden keinerlei Zuständigkeit.

Dass es den Initiatoren des aktuellen Volksbegehrens nicht um die eigentliche Sache ging, beweist ihr Antragstext: "Der Nationalrat möge ein Bundesverfassungsgesetz beschließen, das österreichischen Organen untersagt, die Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (Ceta) oder das plurilaterale Dienstleistungsabkommen (Tisa) zu unterzeichnen, zu genehmigen oder abzuschließen."

Populismus in Reinstkultur

Keine Spur von inhaltlichen Wünschen oder Befürchtungen. Kein Bestehen auf Einbindung des Parlaments oder der interessierten Zivilgesellschaft. Nein – simpel und einfach soll ein "Nicht-unterschreiben-Dürfen" in die Verfassung. Dass es lediglich zu Ceta einen fertigen Abkommenstext gibt, TTIP nach dem Amtsantritt von Donald Trump wohl hinfällig ist und der Inhalt zu Tisa auch noch nicht vorliegt, kümmerte die Volksbegehrensbetreiber nicht im Geringsten. Stattdessen Populismus in Reinstkultur: einfach Nein sagen. Vorab und ohne Kenntnis des Inhalts. Destruktiv statt konstruktiv.

Völlig absurd wird das Unterfangen, wenn man sich eine der betroffenen Gemeinden näher ansieht: Weinburg. Der Ort liegt ein paar Kilometer südlich von St. Pölten, im Pielachtal, und hat rund 1300 Einwohner. Die Gemeinde selbst lebt und existiert von einem einzigen Großunternehmen, der Constantia Teich GmbH. Das Unternehmen mit seinen etwa 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist ein international führender Anbieter von Verpackungsmaterialien. Aus den Rohstoffen Aluminium, Papier und Kunststoff werden Produkte für die Milchwirtschaft, Süßwaren-, Lebensmittel- und Tiernahrungsindustrie sowie internationale Pharmakonzerne gefertigt und geliefert.

Ein Blick auf die Firmenhomepage genügt, um zu erkennen, dass es sich um einen hochgradig internationalisierten und globalisierten Betrieb handelt, der sowohl seine Rohstoffe aus aller Welt bezieht wie auch seine Produkte in alle Welt exportiert. Selbst dem Freihandelsgegner Peter Kalteis, seines Zeichens Bürgermeister von Weinburg und Initiator des Volksbegehrens, sollte klar sein, dass das Aluminium für das Walzwerk seines Leitbetriebs im Ort von irgendwo herkommen muss.

Die Identifizierung mit dem international führenden Unternehmen geht übrigens so weit, dass seine Druckwalzen im Gemeindewappen dargestellt sind. Die Arbeitsplätze, Steuern und Abgaben der global agierenden Firma sind der Gemeinde willkommen. Nur mit globalem Handel, damit wollen Weinburg und sein Bürgermeister nichts zu tun haben.

Schizophrenie

Wenn der Anlass passt, lässt man sich sogar auch mal gern für seinen aus Nigeria stammenden Pfarrer in den Medien bestaunen und als weltoffen feiern. Nur wenn es um Freihandel und die damit verbundenen Werte geht, da hört sich der Spaß auf. Da tritt der gewählte Bürgermeister hin und verkündet ein kräftiges Nein. Dass das alles politisch nicht wirklich durchdacht ist, scheint klar. Ob man auf Dauer mit dieser Art von politischer Schizophrenie beim Wähler erfolgreich sein kann, wird sich zeigen. (Stefan Brocza, 31.1.2017)