Kanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wollen mit dem neuen Regierungsprogramm auch die Machtstrukturen innerhalb der Bundesregierung ändern. Die Kompetenzen sollen von den Ministerien hin zur Regierungsspitze wandern.

Bisher hatte jedes Ministerium ein sogenanntes "Spiegelressort", mit dem es Gesetzesentwürfe abgeglichen hat. Ohne den Sanktus des "Spiegelministers" wird kein Gesetz von der Bundesregierung beschlossen.

So müssen sich etwa Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) abstimmen, wenn sie ein Gesetz planen.

Diese Abstimmungsverfahren sind kompliziert und sorgen zudem dafür, dass sich die Ministerien die Entwürfe gegenseitig madigmachen. Wenn an einer Front gestritten wird, geht auch bei einem eigentlich bereits fertigen Gesetz an einer anderen Front nichts weiter.

Wer nun künftig die Gesetzesentwürfe des jeweiligen Koalitionspartners absegnet, sollen sich die Regierungskoordinatoren Harald Mahrer (ÖVP) und Thomas Drozda (SPÖ) überlegen. Eine Möglichkeit ist, dass die Koordinatoren selbst die Arbeit erledigen, eine andere, dass Kanzler und Vizekanzler die Entscheidung treffen. Auch eine gemeinsame Runde mit den Fachministern wird diskutiert. Bis Ende Februar oder Anfang März soll es eine Lösung geben.

Für Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk ist das eine "Scheindebatte". Es sei bloß gelebte Praxis, war aber nie gesetzlich festgeschrieben. "Ich kann nichts abschaffen, was es nicht gibt", sagt Funk im STANDARD-Gespräch. Die Regierung funktioniert nach dem Kollegialitätsprinzip, der Kanzler kann de facto nicht in andere Ressorts eingreifen, wie es eine Richtlinienverordnung ermöglichen würde. Auch dieser Variante bringt der Jurist Skepsis entgegen. "Das ist auch in Deutschland nicht wirklich hilfreich und zielführend, die Gesetze müssen ja dennoch von der Regierung und ihren Parteien getragen werden." Für Funk ist die Durchsetzungsfähigkeit des Kanzlers "eine Frage der Autorität, die nicht rechtlich abgesichert werden kann". Entscheidend seien gleichzeitig die Mehrheitsverhältnisse und wie stabil diese seien. Außerdem ist für ein Gesetz immer ein einstimmiger Ministerratsbeschluss notwendig, bevor es dem Nationalrat zur Abstimmung vorgelegt werden kann. (koli, mte)

(koli; mte, 1.2.2017)