Das Kind wollte ins Ballett. "Schwanensee!" In ihrem Alter bin ich noch stolz bei den Einstürzenden Neubauten klaustrophobisch zusammengekippt! In Wiesen im Gatsch herumgelegen wie eine junge Sau!

Abgesehen davon gibt es noch jene wunderschöne Ballerina-Cousine, die immer "Schwanensee" getanzt hat. Mit Baryshnikov an der Metropolitan in Hauptrollen auftrat. Neben der das Muttertier sich recht elefantös fühlte – mit sieben, mit siebzehn und vermutlich noch mit siebzig.

Aber das Mutterherz ist trotz abweichlerischer Adoleszenzphasen weich wie Butter in der Sonne. Ich erstehe kostenintensive bühnennahe Karten. Museumsquartier. "Schwanensee" mit 48 Schwänen, denn einfach besetzte Schwäne sind dem Kind zu wenig.

Der Vorhang geht hoch und entblößt ein Bühnenbild, das durchaus Bühnenbildern meiner Kindheit entspricht. In Schulaufführungen. Auftritt Königshof in allerhand swarovskisiertem Geglitzer. Die Assoziation wechselt von Schultheater zu Song Contest. Einzige überzeugende Konstante ist die wundervolle Musik. Und der sprunghafte Hofnarr. Die Theorie, dass doppelt besser hält, wird eindrücklich widerlegt. Bald offenbaren sich die Tücken der Megalomanie: 48 Schwäne müssen sich auf einer relativ kleinen Bühne um den namensgebenden See herumdrängeln. Das Gewässer ist bald am Kippen, da helfen auch präzise ausgeführte Odette-Leiden wenig: gestreckte Beine und Arme aus Tülltellern, wohin man blickt.

Die Assoziationen wechseln zu Wimmelbild oder Sehstörung. Der siebente Zwerg von links bekam jedenfalls Konkurrenz vom achtunddreißigsten bis achtundvierzigsten Federvieh. Es folgt das krönende Happy End, der Prinz kriegt Odette, und der böse Zauberer (im roten Cape à la "Tanz der Vampire") darf einen auf theatralisch sterbenden Schwan machen.

Das eigentlich Hip-Hop-affine Kind ist unzufrieden. Es droht schließlich eine Gegeneinladung. "Muss ich mir jetzt echt die Einstürzenden Neubauten mit dir geben?" Glück gehabt. Die gefallen mir überhaupt nicht mehr. (Julya Rabinowich, 4.2.2017)