Die Wanderer gehen mit gesenkten Köpfen, die Augen auf den Weg gerichtet, so als würden sie nach einem verlorenen Haustürschlüssel suchen. Wer auf der Halbinsel Punta Calamita unterwegs ist, hat nicht immer den Blick für die Schönheit der Küste, für das tiefblaue Meer und die Kaktusfeigen, die am Wegesrand blühen. Wer hierher kommt, sucht andere Schätze Elbas. Sie liegen auf dem Boden und haben Namen, die auch zu italienischen Mädchen passen würden: Ematite, Crisocolla, Malachite.

Jedes Jahr verbringen unzählige Hobbygeologen ihren Urlaub auf Elba. Auf der vulkanischen Insel, die zum toskanischen Archipel gehört, kommen 150 verschiedene Mineralien vor, also die Hälfte der bedeutendsten Arten. Besonders begehrt und berühmt ist Elba-Granit. Daraus wurden sieben Säulen des römischen Pantheons und 18 Säulen der Aachener Kathedrale gebaut. Auch der Dom in Pisa ist mit Elba-Granit geschmückt.

Wanderer, die auf Elba mit gesenktem Haupt unterwegs sind, suchen vermutlich nach wertvollen Mineralien.
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Calamita, der älteste Teil der Insel, ist sprichwörtlich steinreich. Hier findet auch Massimo Regini manchmal schöne Stücke. Der Sammler steht vor seinem Haus in Rio Marina, und immer wenn Urlauber vorbeischlendern, spricht er sie an, bittet sie herein auf ein Glas Wein, damit er ihnen seine Sammlung zeigen kann. Hinter Glasvitrinen liegen glitzernde Brocken. "Ich habe früher im Bergbau gearbeitet", erzählt er, "jetzt sind Steine mein Hobby." Gut möglich, dass er dem Mineralienmuseum, das gegenüberliegt, ein paar Kunden abspenstig macht, die in der Mittagspause vor verschlossenen Türen stehen.

Im Osten Eisen, im Westen Granit

Elba ist ungefähr halb so groß wie Wien und die drittgrößte Insel Italiens. Während man im Osten durch die Welt des Eisens wandert, steht der Westen im Zeichen des Granits. Hier entstand vor Millionen von Jahren der Monte Capane. Der 1018 Meter hohe Berg ragt nun in Form eines Panettone-Kuchens aus den Pinienwäldern. Gelbe Seilbahnkörbe bringen die Urlauber hinauf, wo man den Gipfel mit einigen Antennen teilt. Doch der Ausblick entschädigt: Alle sechs Nachbarinseln sind zu sehen, Korsika, Sardinien und das Festland. Unterhalb blitzen die hellroten Dächer des Bergdorfs Marciana Alta in der Sonne.

Sonne, Wind und Regen formen die Felsen auf Elba. Die Tafoni erinnern an Bienenwaben.
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Ein ausgeschilderter Weg führt hinab auf einen Abschnitt des Fernwanderwegs Grande Traversata Elbana, der 72 Kilometer quer über die Insel führt. Unterwegs kommt man an der Kapelle Madonna delle Monte vorbei, wo Napoleon heimlich seine Geliebte getroffen haben soll. Ein Pfad entlang der Küste führt zu Steinfiguren, die von weitem aussehen wie Elefanten, Schlangen- und Krokodilköpfe, Adler und Riesenkäfer. Die Bildhauer heißen Sonne, Wind und Regen. Ihre Werke werden auch Lochsteine oder Tafoni genannt, weil sie an durchlöcherte Bienenwaben erinnern.

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Das ehemalige Bergarbeiterdorf Capoliveri gehört zu den ältesten Siedlungen auf Elba.
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Für Giorgio Borghi muss Elba wie ein großer Supermarkt sein. Der Künstler verarbeitet Steine zu Schmuck. Sein Atelier hat er im ehemaligen Bergarbeiterdorf Capoliveri, in dem das Kopfsteinpflaster zum Teil noch aus dem Mittelalter stammt. Dank der mineralhaltigen Böden haben die Bewohner früher auch Wein angebaut. Heute lebt das 3000-Einwohner-Dorf vom Tourismus, jährlich kommen rund 800.000 Besucher.

Hochwertige Malachite von der Insel Elba werden auch international nachgefragt.
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Borghi nimmt einen grünen Stein in die Hand: "Früher hätte man so etwas weggeworfen, weil man den Wert nicht kannte. Dabei kann ein schöner Malachit 100 Euro wert sein, wenn er dreifarbig ist." Besonders hochwertige Stücke aus Elba gingen auch an den New Yorker Juwelier Tiffany.

Rolling Stone auf Elba

Schon als Kind hat Borghi gern nach Schätzen im Sand gegraben, später arbeitete er als Maskenbildner, dann als Bildhauer. In seiner Galerie liegen Ringe, größer als für Finger gemacht, und Ketten, die bis zum Bauchnabel reichen. Die Unikate gehen an Liebhaber aus Rom und Bologna, manchmal an Prominente. Mick Jagger soll auch einmal da gewesen sein – ein Rolling Stone, der Elbas Steine mag.

Wie ein Promi abgeschirmt von allen Paparazzi fühlt man sich an der Küste von Nisporto. Wenige Meter über dem Meer wurde eine Anlage mit zehn Ferienwohnungen in die Klippen gebaut, die man in der Vorsaison mit etwas Glück ganz allein bewohnt.

Die letzten Meter zu dieser Anlage geht es nur mehr zu Fuß über 90 Stufen hinab zu einer Steilküste, die auch Hobbygeologen begeistern wird. Tag und Nacht schwappt hier die Gischt an die Felsen und meißelt Rillen hinein. Von oben sieht das aus, als hätte ein Riese steinharte Brotscheiben über Elba fallengelassen. (Monika Hippe, 10.2.2017)