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Schüler der Heinz-Galinski-Schule in Berlin arbeiten schon seit 2009 mit Laptop und Smartboard.

Foto: AP / Michael Sohn

Wer in den frühen 1980er-Jahren zur Schule ging, kann sich vielleicht noch erinnern: Lapidar landete eines Tages eine Info an die Eltern im Mitteilungsheft, in der es hieß, ein bestimmter Taschenrechner einer bestimmten Marke sei umgehend anzuschaffen – ohne dieses Wunderding sei ein positiver Abschluss in Mathematik eigentlich nicht denkbar.

Das Wunderding hieß Texas Instrumens, sein Preis brachte meine Eltern an den Rand einer Ohnmacht: 700 Schilling waren zu berappen, da gab es kein Zucken und Zögern. Ob es dafür finanzielle Unterstützung für sozial Schwache gegeben hat, ist schwer zu sagen – meine Eltern wären wohl lieber gestorben statt um Hilfe anzusuchen. Eine kleine Recherche im Freundeskreis, viele Jahre später, ergab jedenfalls: Das Texas-Instrumens-Dogma hatte gar viele Schüler in etlichen Bundesländern betroffen. Ihnen allen hatten ihre Lehrer eindringlich die Wichtigkeit der Anschaffung vermittelt.

Wenig später verstaubte das Ding, angejahrt und hoffnungslos veraltet, in irgendeiner Ecke. Der Taschenrechner, der auch Wurzeln ziehen konnte (huch!), hatte uns in unserer mathematischen Kompetenz auch nicht wirklich weitergebracht.

Guter Plan

Ganz anders verhält es sich bei der aktuellen Laptop-Offensive der Regierung: Der Plan kommt, im Vergleich mit einigen anderen europäischen Ländern (nicht Deutschland), spät – aber es ist hoch an der Zeit und gut. Wird der Plan auch noch sinnvoll in die Realität umgesetzt, hat er das Zeug, das Bildungswesen ähnlich zu revolutionieren wie einst die Einführung des Gratisschulbuchs.

Jedem Schulkind sein Gratislaptop, jedem Lehrer sowieso, WLAN in jeder Klasse und digitale Bildung schon in der Volksschule: Das könnte unerhörte Folgen haben. Zunächst einmal hätte das Bildungssystem die Digital Natives endlich von Anfang an im Blick. Heute ist es so, dass sich Eltern und Lehrer nur mehr wundern, wie virtuos Kindergartenkinder und Volksschüler bereits mit dem Smartphone oder dem Tablet umgehen, ohne auch nur einen Buchstaben lesen zu können: Sie schaffen es immer auf Youtube, und dort auf ihre Lieblingsserien – ganz zu schweigen von Spielen, unter vorherigem Knacken des Zahlencodes der Eltern. Denen bleibt oft nicht mehr, als das Ding wieder wegzunehmen.

Digitale Kompetenz

Die digitale Geschicklichkeit geht aber nicht automatisch Hand in Hand mit Onlinekompetenz. Wenn diese dann zum Thema und Medienkompetenz wichtig wird (Stichwort Pornos schauen oder auch problematische Inhalte herunterladen, "Fake News", Kommentare oder Fotos posten, die man später ewig bereut et cetera ...), haben die Lehrer dieser Kinder, zumeist Digital Immigrants, ob ihrer Ungeschicklichkeit schon längst jede Autorität verloren, um vom Nachwuchs digital ernst genommen zu werden.

Diesen Graben zu überbrücken, diese Kompetenzlücke zu schließen, muss das vordringlichste Ziel sein, ehe man sich darüber alteriert, wer welchen Laptop gratis bekommt und wie oft. Darum geht es erst in zweiter Linie, wichtig ist freilich allemal, dass alle den unbeschränkten Zugang zur digitalen Welt bekommen.

Neue Unterrichtsperspektiven

Im Unterricht selbst schließlich eröffnen sich völlig neue Perspektiven: Allein im Klassenzimmer wird sich nicht mehr alles auf die Tafel konzentrieren, lernen wird örtlich ungebundener und zwangloser, zusammensitzen, Inhalte teilen und Aufgaben lösen – und nebenbei eine wichtige Lektion für das spätere Berufsleben lernen. Die ganze Welt kann, wenn die Lehrer nur wollen, dann in den Unterricht einfließen – und nicht nur das, was in den Lehrbüchern festgeschrieben ist.

Bis das alles so weit ist, hat die Regierung noch viel Arbeit vor sich. Im September 2017 soll ein Umsetzungsplan den Ministerrat passieren, bis dahin wird geplant und verhandelt. Auf die Details wird es ankommen, wie die Ausbildung für die Lehrer geregelt wird, ist dabei der wesentlichste Punkt, es geht um Reformen und Innovation. Und es wäre schön, wenn die Lehrergewerkschaft einmal nicht a priori dagegen wäre. (Petra Stuiber, 5.2.2017)