Kein Entweder-oder: das Spannungsverhältnis zwischen Flexibilität und Arbeitszeitverkürzung.

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Das Thema der Arbeitszeit in all seinen Ausprägungen ist in den vergangenen Jahren sehr präsent geworden. Hohe Arbeitslosigkeit und eine sich abzeichnende Automatisierung der Wirtschaft stellen Herausforderungen dar, zu deren Lösung das Instrument einer aktiven Arbeitszeitpolitik wieder zurück auf die politische Tagesordnung fand. Von einer umfassenden Flexibilisierung bis hin zu breiten Arbeitszeitverkürzungen reichen derzeit die Vorschläge zur Lösung der genannten Probleme.

Während die eine Seite ein zu eng geschnürtes Korsett rechtlicher Bestimmungen als Hindernis für Beschäftigung kritisiert, erachtet die andere Seite eine weitreichende Arbeitszeitverkürzung und eine Neuverteilung des Arbeitsvolumens als notwendig. Doch bei genauerer Betrachtung ist das hier skizzierte Spannungsverhältnis zwischen Flexibilität und einer Verkürzung der Arbeitszeit nicht zwangsläufig ein Entweder-oder, sondern ein Und.

Neue Arbeitszeitmodelle

Innovative Instrumente der österreichischen Arbeitszeitpolitik sind etwa die Verankerung der sogenannten Freizeitoption in immer mehr Kollektivverträgen. Diese Option bietet den Beschäftigten die Möglichkeit des Abtauschs der jährlichen Lohnsteigerung gegen zusätzliche Freizeit. Erste Evaluierungen dieses Instruments zeigten, dass die Beschäftigten diese Option als durchaus positiv und als einen Mehrwert für ihre Work-Life-Balance sehen. In Österreich gibt es aber noch weitere Modelle, die es ermöglichen, die Arbeitszeit zu reduzieren, Flexibilität zu gewährleisten und neue Beschäftigung zu schaffen.

So können Unternehmen, deren Beschäftigte gern Arbeitszeit reduzieren wollen, das Solidaritätsprämienmodell in Anspruch nehmen. Dieses Modell gewährt Unternehmen einen Zuschuss des AMS, wenn im Ausmaß der reduzierten Arbeitszeit eine neue Arbeitskraft eingestellt wird. Damit soll der Einkommensverlust der Beschäftigten bei einer Reduktion der Arbeitszeit und die Kosten der Neuanstellung einer Ersatzarbeitskraft gemildert und gefördert werden.

Neben diesen kollektivvertraglich oder rechtlich verankerten Modellen existieren auf betrieblicher Ebene eine Vielzahl weiterer Arbeitszeitmodelle, denen es gelingt, Flexibilität mit einem Mehr an Zeitsouveränität für die Beschäftigten zu verbinden. Diese Beispiele reichen dabei von kleinen Unternehmen, die eine 30-Stunden-Woche bereits umgesetzt haben, über Handelsbetriebe, die individuelle Arbeitszeitmodelle auf Basis sozialer Kriterien wie familiäre Betreuungsverpflichtungen anbieten, bis hin zu großen Industrieunternehmen, welche die generelle Arbeitszeit im Unternehmen absenken, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten und zu schützen.

Die Frage der Kosten ...

Eines der zentralen Argumente, welches oftmals der Umsetzung verkürzter Arbeitszeitmodelle entgegensteht, sind die Fragen nach den Kosten und der Höhe der Einkommen. Bereits jetzt belegt eine Vielzahl an Studien, dass mit der Länge der durchgehenden Arbeitszeit Gesundheitsprobleme stark zunehmen. Auf Basis dieser Erkenntnisse können eine Steigerung der Produktivität, eine gestiegene Motivation und eine Stärkung der Firmenloyalität als positive Effekte einer Reduktion der Arbeitszeit identifiziert werden, welche schlussendlich, neben dem Produktivitätseffekt, Humankapital an das Unternehmen bindet und Qualifizierungskosten reduziert.

... und des Einkommens

Die oftmals letzte kritische Größe in der Umsetzung von flexiblen Arbeitszeitverkürzungsmodellen stellt die des Einkommens dar. Die bereits in Österreich schon praktizierten Modelle sind überwiegend in Branchen oder Branchensegmenten angesiedelt, die zum Hochlohnbereich zählen oder in denen eine Überzahlung des Kollektivvertrags üblich ist. Sie bieten jedoch interessante Blaupausen, von denen gelernt werden kann, dass Flexibilität und eine Verkürzung der Arbeitszeit nicht im Widerspruch zueinander stehen müssen. Jedoch ist der zentrale Punkt in all diesen Beispielen, dass eine einseitige Flexibilisierung aufgrund ihrer negativen gesundheitlichen und sozialen Effekte nicht zulasten der Beschäftigten gehen darf und mit einem Zugewinn an Zeitsouveränität und einem Mehr an Freizeit einhergehen muss. (Michael Soder, 6.2.2017)