Christoph Leitl, Wirtschaftskammer-Präsident und SVA-Obmann: neue Lösungen in zwei, drei Monaten.

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STANDARD: Sie werfen der Bundesregierung seit Jahren unternehmerfeindliche Politik vor – gehen Sie mit Kürzungen der Zusatzkrankenversicherung für Selbstständige nicht mit schlechtem Beispiel voran?

Leitl: Wäre dem so, nehme ich den Vorwurf zur Kenntnis. Wir waren aber gesetzlich dazu verpflichtet. Die Bundesregierung hat die Gesetze nämlich dahingehend geändert, dass wir Verluste innerhalb der Sozialversicherung nicht ausgleichen dürfen. Alternative wäre eine Verdoppelung des Beitrags für 30.000 Versicherte gewesen.

STANDARD: Warum überhaps ohne Schonfrist und rückwirkend?

Leitl: Es kam nicht überraschend, sondern wurde schon im Dezember bei der Generalversammlung mit den Stimmen aller wahlwerbenden Parteien beschlossen. Wobei ich niemandem einen Vorwurf mache, auch jenen nicht, die nun den Spieß umdrehen und eigene Entscheidungen infrage stellen.

STANDARD: Warum hat die SVA bei den Einschnitten nicht unterschieden, ob jemand etwa 600 oder das Doppelte verdient? Das sei gleichheitswidrig, kritisieren die Grünen.

Leitl: Sollte es durch die geänderten Rahmenbedingungen nun zu besonderen sozialen Härtefällen kommen, will die SVA diese rasch und unbürokratisch lösen.

STANDARD: Es trifft viele Menschen, die alles andere als freiwillig Unternehmer sind – wie etwa selbstständige Personenbetreuer. Sie wurden wie andere Dienstleister von der Wirtschaft ausgelagert. Von modernen Tagelöhnern ist oft die Rede.

Leitl: Sie wurden nie von der Wirtschaft ausgelagert, sondern in das System der Sozialversicherungen eingelagert. Für Personenbetreuer schuf die Regierung eine Möglichkeit, legal kostengünstig zu arbeiten. Die Verantwortung dafür liegt nicht bei uns. Wir bekamen etwas übertragen, das wir nicht wollten. Die Personenbetreuer arbeiten auf jeden Fall hervorragend und sollen ordentlich behandelt werden.

STANDARD: Wie ließe sich das nach den Kürzungen bewerkstelligen?

Leitl: Wer künftig länger als sieben Wochen krank ist, soll rückwirkend ab dem vierten Tag ein Krankengeld von täglich 30 Euro bekommen, ohne dass die Pflichtbeiträge der Versicherten erhöht werden. Damit kann die Existenzbedrohung durch chronische oder langwierige schwere Erkrankungen wirksam bekämpft werden.

STANDARD: Was wird das kosten?

Leitl: Die Finanzierung wird derzeit berechnet. Sie sehen, das Thema lässt mich nicht kalt. Eine Alternative sind unterschiedliche freiwillige flexible Versicherungspakete, bei denen die Versicherten Leistungs- und Beitragsvarianten frei wählen können. Die SVA wird in den kommenden zwei bis drei Monaten eine Lösung finden.

STANDARD: Bei sieben Wochen blieben 48 Tage, die bei Krankheit finanziell zu überbrücken sind. Wie soll dies Einzelkämpfern gelingen, ohne ihr Geschäft zu verlieren?

Leitl: Wird es existenzbedrohend, springt der Härtefonds ein.

STANDARD: Zahlreiche Privatpleiten resultieren aus früherer Selbstständigkeit ...

Leitl: Das hat andere Ursachen. Ja, es gibt jährlich 5.000 Firmenkonkurse – im Gegenzug jedoch auch 30.000 neue Gründungen.

STANDARD: Was raten Sie Selbstständigen, die Angst davor haben, im Falle einer Krankheit in die Armutsspirale zu geraten?

Leitl: Die SVA bemüht sich, Unternehmer bei langer Krankheit sozial bestmöglich abzusichern. Es wird im Bereich der Zusatzversicherung ein neues Angebot geben.

STANDARD: Was spricht dagegen, ihnen etwa bereits ab dem elften Tag Krankengeld auszubezahlen?

Leitl: Ich bin für Verbesserung offen. Sie muss aber leistbar sein.

STANDARD: Halten Sie ein Ende der Selbstbehalte für realistisch?

Leitl: Dann müssten im Gegenzug Sozialversicherungsbeiträge steigen. 80 Prozent aller Versicherten ziehen aber die Selbstbehalte höheren Beiträgen vor.

STANDARD: Wie halten Sie es mit der vielfach geforderten Zusammenlegung der Krankenkassen?

Leitl: Das Bessere ist der Feind des Guten. Wir haben ein gutes System. Derzeit laufen aber Studien namhafter Experten, in welche Richtung es sich verbessern ließe. (Verena Kainrath, 7.2.2017)