Wien – Der fünfzigste Geburtstag wird meist mit Sekt begossen und groß gefeiert. Ein halbes Jahrhundert auf der Erde ist ein guter Grund dafür. Wer aber danach seinen Job verliert, dem vergeht die Feierlaune für längere Zeit. Denn dann noch eine Arbeit zu finden erfordert viel Geduld und oft auch Glück. Das zeigen zahlreiche Gespräche, die DER STANDARD in den vergangenen Tagen mit Betroffenen geführt hat. Zig Bewerbungen ohne Einladung zu einem Gespräch sind keine Seltenheit. Aber warum ist das so?

Zunächst einmal ermuntert ein Blick auf die Beschäftigtenzahlen. Es gibt so viele Menschen über 50 mit einem Job wie nie zuvor, bald dürfte die Grenze von einer Million Erwerbstätigen überschritten sein. Seit 2008 ist die Zahl um fast 50 Prozent auf 923.000 gestiegen. Die Arbeitslosenquote ist im Vorjahr nicht mehr gestiegen, sie liegt mit 9,7 Prozent nur minimal über dem Durchschnitt in Österreich.

In den 50. Geburtstag kann man also ruhigen Gewissens hineinfeiern. Viele ältere Menschen sind jahrelang im Betrieb und nehmen eine wichtige Rolle ein. Wenn sie ihren Job aber verlieren, brauchen sie oft sehr lange, um eine neue Beschäftigung zu finden oder sind ganz ohne Erfolg. Fast jeder zweite Arbeitslose, der über 55 ist, ist mit höchstens einer kurzen Unterbrechung schon mindestens ein Jahr auf Arbeitssuche. Sind sie für Firmen einfach zu teuer?

Das kann einen Teil erklären. "Außer in Frankreich steigen die Löhne mit dem Alter in keinem Industrieland so stark wie bei uns", sagt Michael Christl von der Agenda Austria, einer Denkfabrik. Eine Studie der Linzer Kepler-Universität verglich einige Maschinenbauer und fand heraus, dass vor allem dort Ältere gekündigt wurden, wo die Gehaltskurve sehr steil war. Eine "Frühpensionierung über das AMS" nennen das die Autoren der Studie.

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Für ältere Arbeitslose ist das AMS oft eine Sackgasse.
Foto: reuters / bader

Die höheren Kosten eignen sich aber nur eingeschränkt als Erklärung. Das legt eine breitangelegte Studie des IHS nahe, die für das Sozialministerium erstellt wurde. In Branchen, in denen die Löhne mit dem Alter stark steigen, gibt es nicht mehr Arbeitslose als in anderen. Die Jobsuche dauert genauso lang wie in anderen Branchen.

Stark steigt die Arbeitslosenquote dann ab 55 oder 60, einem Alter, in dem es oft keine automatischen Lohnsteigerungen mehr gibt. Wer nach vielen Jahren bei einem Betrieb seinen Job verliert, nimmt im neuen Job noch dazu oft substanzielle Gehaltseinbußen in Kauf. "Die höheren Löhne und Gehälter spielen nur eine kleine Rolle bei der schwierigen Jobsuche", sagt Gerlinde Titelbach vom IHS.

Mythos starker Kündigungsschutz

In den Köpfen vieler Unternehmer ist verankert, dass man ältere Arbeitnehmer nur schwer kündigen kann. Das ist aber ein Mythos, sagt der Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal von der Universität Wien. Wenn jemand seine Leistung nicht bringe, nicht technologieaffin oder anpassungsunfähig sei oder schlicht zu teuer, könne man jeden 55-Jährigen kündigen. "Das hat vor dem Höchstgericht noch immer gehalten", sagt der Jurist. Oft würden sich Firmen bei Klagen aber auf Vergleiche einigen, damit das Kapitel beendet sei.

Die komplexe Gesetzeslage verunsichere aber viele, sagt Mazal. Er meint, dass sich in den Köpfen der Menschen etwas ändern müsse, um die Lage zu bessern. "Die Beschäftigung Älterer wird immer nur als notwendig, nicht als sinnstiftender Beitrag gesehen."

Welche Rolle die Qualifikation älterer Arbeitsloser spiele, lasse sich nur schwer sagen, sagt Soziologin Titelbach. Firmen müssten bei der Weiterbildung jedenfalls früher als mit 50 ansetzen. Zentral sei es in Österreich jetzt, einen Kulturwandel im Umgang mit Älteren zu forcieren. Früher habe man sich mit dem Thema nicht beschäftigen müssen. "Da sind die Leute einfach in Frühpension gegangen." (Andreas Sator, 7.2.2017)