Mehr als ein Jahr lang war Horst Seehofer jedes Mittel recht, um Angela Merkel zu düpieren. Man erinnere sich an jene schreckliche Szene beim CSU-Parteitag im November 2015: Wie ein Schulmädchen musste sich die deutsche Kanzlerin wegen ihrer Flüchtlingspolitik vom CSU-Chef auf offener Bühne abkanzeln lassen.

Nicht vergessen ist auch, welch harscher Worte sich Seehofer bediente, wenn er gen Berlin wütete. Von einer "Herrschaft des Unrechts" war die Rede, als gäbe es die DDR noch. Und die Verfassungsklage gegen die Bundesregierung, der die CSU ja auch angehört, hatte Seehofer schon in der Schublade.

Vor nicht einmal drei Monaten war Merkel beim CSU-Parteitag immer noch nicht willkommen. Seehofer tönte, man werde zuerst die Inhalte klären, und dann die Personalfragen. Jetzt ist plötzlich alles ganz anders. Die strittigen Inhalte werden auf Eis gelegt, das Programm muss erst entstehen. Aber Merkel hat er dennoch mit großem Trara zur gemeinsamen Kanzlerkandidatin ausgerufen.

Das ist vordergründig schön für die Union, denn die Konservativen mögen es nicht so gern, wenn ihre Führungspersönlichkeiten streiten. Dennoch mag die große Versöhnungssause in München nicht wirklich zu überzeugen.

Seehofer ist ein Taktiker, er macht nichts, woraus er nicht für sich, die CSU und Bayern einen Vorteil ziehen könnte. Angetrieben wird er von einer Angst namens Martin Schulz. Der Kanzlerkandidat der SPD kommt so gut an, dass in Umfragen die Kurven für die Sozialdemokraten plötzlich steil nach oben gehen.

Das kann Seehofer nicht brauchen. Wenn der eigene Erfolg gefährdet ist, muss er handeln, und das hat er getan. Damit legte er sich allerdings auch selbst Fesseln an. Denn wenn er jetzt in den kommenden Monaten bis zur Bundestagswahl den Burgfrieden wieder aufkündigt, dann ist ihm auch nicht mehr zu helfen.

Aber Seehofer wird schon durchhalten. Das verrät eine Aussage, die er am Montag machte. Er bezeichnete die Bundestagswahl im September als "Startrampe" für die bayerische Landtagswahl im Herbst 2018. Bis zur Bundestagswahl hält er still – oder versucht es zumindest. Danach kann er, je nach Ausgang der Wahl, seine Obergrenze wieder auspacken und in seinen Bayernplan, also das Landtagswahlprogramm, schreiben. Denn darum geht es in Wirklichkeit: um das Bewahren der Absoluten in Bayern. (Birgit Baumann, 6.2.2017)