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Die Cayman Islands sind nicht nur für Urlauber interessant, sondern gelten auch als Steuerparadies. Sieben Jahre lang half Rudolf Elmer Kunden aus aller Welt von hier aus bei der Steuervermeidung.

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Gilt als Whistleblower der ersten Stunde: Ex-Banker Rudolf Elmer.

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Wien – Sind Whistleblower Helden oder Kriminelle? Generalisierend lässt sich diese Frage nicht beantworten, und auch im Einzelfall nur selten. Wie nah Licht und Schatten bei Hinweisgebern liegen, deren Informationen zur Aufdeckung von Missständen führen, zeigt eindrucksvoll der Fall Rudolf Elmer. Jahrelang war der Schweizer für die Bank Julius Bär tätig, unter anderem als Leiter der Niederlassung auf den Cayman Islands. Dort war er Vertrauensmann für tausende wohlhabende Kunden, denen er half, Geld an den Steuerbehörden in ihrem Herkunftsland vorbeizuschleusen.

Nach seiner Entlassung im Jahr 2002 wurde er hingegen zum Fall für die Justiz. Er gab Bankdaten an Steuerbehörden und die Enthüllungsplattform Wikileaks weiter. Sein Strafverfahren läuft seit mittlerweile zwölf Jahren.

Zur Premiere des Dokumentarfilms Offshore am Dienstagabend kam der Schweizer nach Wien. Darin bekommt er Gelegenheit, seine Version der Geschichte ausführlich zu erzählen – eine andere als jene der Zürcher Staatsanwaltschaft. Die sieht in Elmer einen Mann, der in krimineller Absicht Daten stahl, Exkunden bedrohte und das Schweizer Bankgeheimnis brach, weil er Rache an seinem früheren Arbeitgeber nehmen wollte. Elmer kämpft seit Jahren öffentlichkeitswirksam gegen diese Darstellung – und für die Abschaffung des Schweizer Bankgeheimnisses.

Daten als Lebensversicherung

Der Kampf gegen Steuerbetrug war aber nicht sein Motiv, überhaupt zum Whistleblower zu werden. Nach seinem Rauswurf bei Julius Bär, dessen Begründung ebenfalls umstritten ist, schrieb er einige seiner früheren Kunden an und gab ihnen zu verstehen, sie sollten in ihrem eigenen Interesse damit aufhören, Steuern zu hinterziehen. Warum? "Ich habe Morddrohungen bekommen, auf mich und meine Familie wurden Privatdetektive angesetzt. Die Daten sind zu einer Art Lebensversicherung geworden", sagt Elmer dem STANDARD. Würde ihm etwas zustoßen, versichert er, würden die Daten, die noch immer bei einer Vertrauensperson lägen, an die Öffentlichkeit kommen.

Die Morddrohungen habe er per SMS erhalten, anonym. Ehemalige Bär-Kunden, die fürchteten, Geldwäschegeschäfte könnten bekanntwerden, vermutet Elmer. "Mexikanische Drogenhändler haben lange Arme", sagt er.

Dass er sich an der Bank habe rächen wollen, weist Elmer zurück. Auch habe er nie versucht, mithilfe der Daten an Geld zu kommen. Stattdessen habe er sie unentgeltlich an Behörden in Deutschland, Großbritannien und den USA weitergegeben. Könnte er die Zeit zurückdrehen, er würde es wieder tun. "Diesmal würde ich aber anonym bleiben, um meine Familie zu schützen."

Während Elmer gegen den Vorwurf, er habe das Bankgeheimnis gebrochen, weiter ankämpft, zeigt er sich bezüglich der Drohungen gegen ehemalige Kunden reumütig. Auch dass er Wikileaks einen gefälschten Brief an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zuspielte, sei ein Fehler gewesen. Das Schreiben sollte den Anschein erwecken, Merkel habe ein Schwarzgeldkonto bei Bär.

Leichter als die Frage nach der Wahrheit im abenteuerlichen Fall Elmer lässt sich beantworten, wofür der Offshore-Experte heute einsteht, nämlich für mehr Transparenz im Steuersystem. Das Schweizer Bankgeheimnis sei jahrzehntelang dazu genutzt worden, um Hinterziehung, Betrug, Geldwäsche, Drogen- und Menschenhandel zu verschleiern.

Verborgene Hinterleute

Daran ändern würde auch der automatische Informationsaustausch zwischen Staaten nichts, der eigentlich als Sargnagel für das Bankgeheimnis gilt. An die wirtschaftlich Begünstigten hinter Firmen in Steueroasen, die auf Strohmänner laufen, komme man damit nicht heran. "Bei einer Gesellschaft mit Inhaberaktien auf Jersey oder den British Virgin Islands ist es unmöglich zu wissen, wem die gehören." Öffentliche Register, in denen die Begünstigten aufscheinen, gibt es dort nicht. Diesen Ländern müssten deutlichere Konsequenzen anderer Staaten drohen, so Elmer.

Schlupflöcher könne man mit gesetzlichen Maßnahmen aber ohnehin nicht unterbinden: "Das zu glauben, ist naiv. Es wird immer Länder geben, die die Gesetze anderer Länder unterwandern." Sehr wohl etwas bewegen können hingegen ein erhöhter öffentlicher Druck und mehr persönliche Verantwortlichkeit von Bankern. Auf Beihilfe zum Steuerbetrug müssten Gefängnisstrafen drohen, so Elmer. Das gelte auch für Topmanager, diese wüssten über Geschäfte in Steueroasen Bescheid. (Simon Moser, 8.2.2017)