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Schwarmfinanzierungen erlauben Start-ups, ähnlich diesem frisch geschlüpften Küken, oft die ersten Gehversuche – und langfristig womöglich sogar einen unternehmerischen Höhenflug.

Foto: Ronald Wittek

Wien – Viele Bürger finanzieren mit kleinen Beträgen direkt junge Unternehmen oder Investitionsprojekte – eine Idee, die auch in Österreich immer mehr Anhänger findet, wie die Daten zum Crowdinvesting für 2016 zeigen. Mit fast 22,8 Millionen Euro haben die 13 heimischen Plattformen insgesamt 71 Finanzierungsprojekte gespeist, berichtet der Fachverband Finanzdienstleister der Wirtschaftskammer – eine Steigerung um 161 Prozent zum Jahr zuvor.

Offensichtlich hat das sogenannte Alternativfinanzierungsgesetz, das hierzulande die rechtliche Basis für Schwarmfinanzierungen darstellt, dem noch jungen Markt einen enormen Schub verliehen. "Seit dieses im Herbst 2015 in Kraft getreten ist, wurde etwa viermal so viel gesammelt wie davor", rechnet Paul Pöltner vom Fachverband vor.

Auch Nadine Moser vom Institut für Strategie, Technologie und Organisation der WU Wien sieht Österreich mit dem neuen Gesetz gut gewappnet. Allerdings stehe Crowdinvesting noch am Anfang, und es gelte abzuwarten, wie sich die Projekte und Ausfallsquoten entwickelten, dann könne man den gesetzlichen Rahmen bei Bedarf anpassen. "Wir werden schon nächstes Jahr die erste Welle an Projekten erleben, bei denen die Finanzierungen auslaufen."

Geschäftskonzepte erproben

Volkswirtschaftlich beurteilt Moser Crowdinvesting grundsätzlich positiv – und zwar besonders die Möglichkeit, Geschäftskonzepte zu erproben: "Dadurch entstehen Unternehmen und Arbeitsplätze." Was zudem Schwarmfinanzierungen von anderen Geldquellen abhebt, ist laut der Expertin eine Demokratisierung bezüglich dessen, wer eine Chance bekommt: "Jetzt entscheidet die Masse, ob sie es einem Unternehmen zutraut, die gesteckten Ziele zu erreichen."

Geeignet hält sie Crowdinvesting für jene Unternehmen, die an keine günstigeren Geldquellen kommen – worunter oft Start-ups fallen würden. Oder für Firmen, die den Schwarm nicht nur über das Kapital an sich binden wollen. Moser verweist auf Untersuchungen, wonach sich 90 Prozent der Geldgeber auch zusätzlich für das Unternehmen engagieren – etwa Promotion machen, Feedback geben, Produkte nutzen oder einfach nur Ideen und Kontakte ins Unternehmen einbringen.

Wie weit Crowdinvesting noch wachsen kann? Seitens der Unternehmen sieht Moser dafür ausreichend Nachfrage, ist aber bei Anlegern weniger sicher, denn: "Man muss eine Affinität zu den Themen Start-up und Risikoinvestitionen haben." Um diesbezüglich zusätzliche Zielgruppen anzuzapfen, braucht es aus ihrer Sicht Finanzintermediatoren, die sich um Recherche und Risikostreuung kümmern würden. Also ähnlich, wie es Fondsanbieter bei herkömmlichen Anlagen wie Aktien oder Anleihen übernehmen.

Doppelt so viele Plattformen

Künftig erwartet Moser mehr Projekte pro bestehende Crowdinvesting-Plattform, aber keinen Boom an zusätzlichen Anbietern. Im Vorjahr hat sich mit sieben neuen Plattformen, welche die Standes- und Ausübungsregeln des Fachverbands akzeptierten, deren Anzahl im Vorjahr aber noch mehr als verdoppelt.

Einer der Anfang des Vorjahres Gestarteten ist Andreas Zederbauer, Chef von Dagobertinvest. Während der Mitbewerb zumeist Start-up-Finanzierungen anbietet, hat er sich auf Immobilienprojekte spezialisiert. Dabei soll die Dagobert-Crowd ein Fünftel der Gesamtfinanzierung über Nachrangdarlehen beisteuern, weitere zehn Prozent bringt der Bauträger an Eigenmitteln ein, die restlichen 70 Prozent entfallen auf klassische Kreditfinanzierungen. "Das gibt Sicherheit, weil eine Bank das Projekt mitfinanziert hat", sagt Zederbauer. Anleger dürften im Erfolgsfall mit sechs bis 7,5 Prozent Rendite im rechnen.

Im Vorjahr hat Dagobertinvest von 1164 Investoren etwas mehr als zwei Millionen Euro für zwölf Projekte erhalten, darunter zwei kurzfristige Finanzierungen, die bereits rückgezahlt seien. "Das ist deutlich mehr, als wir im Businessplan vorgesehen haben", erklärt Zederbauer. Für heuer erwartet er ein Finanzierungsvolumen von 4,5 Millionen Euro über seine Plattform, die Mitarbeiterzahl soll auf fünf Personen steigen. Und für 2018 hat Zederbauer den Break-even angepeilt.

Blick nach Deutschland

Zudem erwägt er heuer den Schritt nach Deutschland. Dort hat das Finanzierungsvolumen im Vorjahr laut Crowdfunding.de um 39 Prozent auf 64 Millionen Euro zugelegt – wobei Immobilienfinanzierungen jene von Firmen deutlich überflügelten. "Eine Immobilie ist in der Wahrnehmung sicher", erklärt Zederbauer den Trend aus Anlegersicht. Wobei er nicht ausschließt, seine Plattform künftig auch für Unternehmensfinanzierungen zu öffnen.

"Crowdinvesting ist noch in der Sturm-und-Drang-Periode und erst dabei, sich in der Finanzierungslandschaft einzunisten", begründet Zederbauer seine raschen Expansionspläne. Die Finanzierungen und zugrunde liegende Projekte werden aus seiner Sicht künftig sukzessive größer. "Nach uns werden noch viele kommen", fügt Zederbauer mit Blick auf neue Mitbewerber hinzu, "und bis dahin möchten wir uns einen Marktvorteil erarbeitet haben." (Alexander Hahn, 9.2.2017)