Man sollte bei der Verwendung der Formulierung, wonach einem politischen Treffen "historische Bedeutung" zukommt, vorsichtig sein. Auf der europäischen Ebene werden auf diversen "EU-Gipfeln" ständig "Meilensteine gesetzt" oder es finden "historische Ereignisse" statt – vermeintlich, aber selten wirklich.

Vom ersten gemeinsamen Auftritt eines österreichischen Bundespräsidenten mit dem Bundeskanzler bei den EU-Institutionen in Brüssel lässt sich dennoch sagen: Die Doppelvisite von Alexander Van der Bellen und Christian Kern war bedeutend in der Regierungsgeschichte des noch immer jungen EU-Mitgliedslandes Österreich. Sie war ein Akt der nationalen Selbstvergewisserung, wer und was Österreich sein will inmitten in der europäischen Identitätskrise – mit Wirkung nach innen wie auch nach außen.

Die Präsidentenrede vor dem Plenum des EU-Parlaments mit einem flammenden Appell für die Einheit Europas und gegen nationalistische Verführung rundet das noch ab.

Österreich, das vom EU-Beitritt enorm profitiert hat, aber auch große Umwälzungen und Belastungen kennt, will Kernland sein, kein unverlässlicher Randstaat, der die Union infrage stellt. Im Jahr 2000 straften die (damals fünfzehn) Partnerländer (nicht die EU) Wien mit bilateraler Ächtung, weil die FPÖ des Rechtspopulisten Jörg Haider in die schwarz-blaue Regierung kam. Diese Geister der jüngeren Vergangenheit sind verflogen. So sollte es bleiben. (Thomas Mayer, 13.2.2017)