Linz – 89 Prozent der Wahlberechtigten halten es für wichtig, dass es in einer Demokratie freie und faire Wahlen gibt – das ist der höchste Wert in einer vom Linzer Market-Institut im Jänner erhobenen Liste von Vorschlägen. Aber nur 73 Prozent meinen, dass das in der österreichischen Demokratie auch gut funktioniert. Besonders junge Befragte sowie erklärte Anhänger der Freiheitlichen und politisch indifferente Personen erklären zu jeweils rund einem Drittel ausdrücklich, dass freie und faire Wahlen in Österreich nicht gewährleistet seien.

Zweifel an Meinungsfreiheit und unabhängigen Medien

Auch die freie Meinungsäußerung – von 83 Prozent als Kennzeichen einer funktionierenden Demokratie erkannt – sehen nur 69 Prozent als gewährleistet an. Market-Institut-Leiter David Pfarrhofer: "Beinahe jeder zweite Freiheitliche lebt in der Vorstellung, dass er seine Meinung nicht frei sagen könnte. In der Gesamtbevölkerung sagen immerhin 23 Prozent ausdrücklich, dass freie Meinungsäußerung in Österreich nicht gut funktioniere. Besonders krass ist in diesem Zusammenhang die Medienkritik: 60 Prozent der Österreicher meinen, dass es in unserem Land an freien, unbeeinflussten Medien mangelt. Dass es unabhängige Medien gibt, glauben nur 31 Prozent. Und das sind nicht irgendwelche Verschwörungstheoretiker, die so eine Meinung äußern, das ist eine repräsentative Stichprobe von 431 Wahlberechtigten."

Dabei wünschen sich 82 Prozent der Befragten freie Medien, besonders stark ausgeprägt ist dieser Wunsch bei Anhängern der SPÖ, der Grünen und der Neos.

  • Ebenso stark ist mit 82 Prozent der Wunsch, "dass die Richter unabhängig und unbeeinflusst von der Politik arbeiten". Ob wir das erreicht haben? Das glauben wiederum nur 49 Prozent.
  • Deutlich schwächer wird als Kennzeichen einer funktionierenden Demokratie angesehen, dass Meinungsverschiedenheiten in der Politik gewaltfrei gelöst werden. Dies sehen nur 70 Prozent als wesentliches Demokratiemerkmal – wobei jüngere Befragte deutlich weniger zustimmen als ältere. Immerhin: 79 Prozent sehen diese Forderung als erfüllt an.
  • Funktionierende Kontrolle der Arbeit der Regierung – das wünschen sich 68 Prozent, aber nur 28 Prozent meinen, dass das in Österreich auch klappt.
  • Dass die Verwaltung an die Gesetze gebunden ist, sehen zwei Drittel als konstituierend für Demokratie an, ebenso viele Befragte halten den Zustand in Österreich für erreicht.
  • Keine Unterdrückung von Minderheiten wird ebenfalls von 65 Prozent gefordert – und von 52 Prozent als erreicht betrachtet.
  • Eine Direktwahl aller wichtigen Funktionsträger wünschen sich 61 Prozent – 40 Prozent sehen das als erreicht an. Tatsächlich ist die Zahl der direkt gewählten Funktionsträger (Bundespräsident, einige Bürgermeister und einige mit Direktmandat ausgestattete Abgeordnete) in Österreich deutlich geringer als in anderen Staaten.
  • Noch weniger realistisch ist die Wahrnehmung, dass eine gewisse Zahl von Bürgern eine Volksabstimmung erzwingen könnte: 38 Prozent sehen das in Österreich als gegeben an (obwohl genau das mit den diversen Demokratiepaketen nicht erreicht wurde), 59 Prozent aber meinen, dass dies zu einer Demokratie dazugehören würde.
  • "Dass in wichtigen Fragen Kompromisse geschlossen werden", gehört für 58 Prozent zur Demokratie – aber nur 29 Prozent glauben, dass das in Österreich auch so ist.
  • Keine Chance für politische Extremisten sieht jeder Zweite als demokratiepolitisch wichtig an – aber nur 37 Prozent glauben, dass das in Österreich erfüllt ist.
  • 46 Prozent halten es für demokratiepolitisch geboten, dass sie selbst – theoretisch – für ein politisches Amt kandidieren könnten – dieser Wunsch wird von jedem Zweiten als erfüllt betrachtet.
  • Politiker sollten häufig mit einfachen Leuten reden, lautet ein weiteres demokratisches Desideratum, 44 Prozent schließen sich dem an. Allerdings glauben nur 18 Prozent, dass das in Österreich ausreichend passiert, zwei Drittel sagen klar, dass das nicht der Fall ist. Besonders ältere und weniger gebildete Befragte klagen über die mangelnde Volksnähe der Politiker.
  • Eine "stabile, eine volle Periode amtierende Regierung" gehört für 41 Prozent zu den Kennzeichen einer gut funktionierenden Demokratie – aber 58 Prozent sagen explizit, dass das nicht funktioniert.
  • 38 Prozent wünschen sich, dass jedenfalls die stärkste Partei einer Nationalratswahl den Kanzler stellen kann – wobei FPÖ- und SPÖ-Wähler (wohl in Einschätzung der Chance ihres Kandidaten) deutlich stärker dafür sind als Anhänger von ÖVP und Grünen. Bei Landeshauptleutewahlen (den Anspruch der stärksten Partei erscheint 34 Prozent demokratiepolitisch geboten) ist die Parteilichkeit der Antworten etwas ausgeglichener. (Conrad Seidl, 14.2.2017)