Mehr als fünf Prozent der Österreicher brauchen Pflege. Vor allem die 24-Stunden-Betreuung läuft nur dank Hilfe aus Osteuropa.

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Wien – Sebastian Kurz verspricht noch diese Woche einen Gesetzesentwurf. Allen EU-Bürgern, die in Österreich arbeiten, deren Kinder jedoch im ärmeren Ausland leben, soll die Familienbeihilfe gekürzt werden. Der Vorstoß des ÖVP-Außenministers könnte sich als Bumerang erweisen. Er trifft nämlich ins Mark einer Branche, die hierzulande große Teile der 24-Stunden-Pflege auf die Beine stellt.

Österreich zählt 52.000 selbstständige aktive Personenbetreuer. Es sind zu 97 Prozent Frauen, die primär aus umliegenden Ostländern wie der Slowakei kommen. Sie werden nicht selten mit Dumpinglöhnen von 30 Euro am Tag abgespeist. Ab 68 Euro zahlen Organisationen wie die Caritas, die Sozialversicherung eingerechnet.

Die Familienbeihilfe ist für die meisten der Frauen, die ihre Kinder für den Job als Pflegerinnen in ihrem Heimatland zurücklassen, ein wesentlicher und notwendiger Teil des Einkommens. Bricht dieser weg, könnte auch der Anreiz fallen, sich in den Dienst der Pflege im Ausland zu stellen, warnen die Vertreter pflegender Angehöriger und Vermittlungsagenturen im Gespräch mit dem STANDARD.

70.000 Betroffene

Klaus Katzianka spricht von in Summe bis zu 70.000 Pflegekräften, die von den finanziellen Einschnitten betroffen wären. In Folge müssten gut 35.000 Familien in Österreich um deren Hilfe bangen. Der Steirer ist selbst von Geburt an auf Pflege angewiesen, vermittelte von Leoben aus mit seiner eigenen Agentur Europflege in den vergangenen zehn Jahren mehrere Tausend Pflegerinnen und engagierte sich einst für ein Pflegevolksbegehren.

Die Pläne der Regierung bezeichnet er als unwürdiges Schauspiel. Jeder in der Koalition habe von Anfang an gewusst, dass die Familienbeihilfe ein wichtiger Anstoß für Pflegerinnen aus östlichen Nachbarländern für ihre Arbeit in Österreich sei, sagt er. Erhielten sie künftig 200, 300 Euro im Monat weniger, rechne sich für viele der Job einfach nicht mehr. "Für Pflegebedürftige ist das eine Katastrophe. Sie bleiben auf der Strecke." Für Katzianka liegt der Schlüssel zur Finanzierung der Pflege in höherem Pflegegeld. Nur so löse man sich aus der Rolle der Bittsteller.

Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der IG pflegender Angehöriger und Pflegesprecherin der Grünen, sieht in der Kürzung der Familienbeihilfe die Gefahr, dass Pflegerinnen wieder stärker in die Illegalität gedrängt werden. Weiters käme es zu informellen Abmachungen, um das Lohnmanko auszugleichen. Was bedeute, dass die Kosten steigen oder auf eine Betreuungskraft verzichtet werde.

Ihrer Meinung nach ist es mit mehr Pflegegeld allein nicht getan: Ein wichtiger Hebel seien höhere Zuschüsse für Betreuungskräfte.

"Prügel vor die Füße"

456.100 Österreicher sind auf Hilfe angewiesen, rund 80 Prozent davon werden zu Hause gepflegt. 17 Prozent der Pflegegeldbezieher brauchen 24-Stunden-Betreuung.

Pflegekräften würden nun stetig neue Prügel vor die Füße geworfen, sagt Meinhard-Schiebel. Seit Jänner erhalten sie von der SVA nur noch ein Drittel des bisherigen Krankengelds aus der Zusatzversicherung. All das habe Folgen für die Qualität der Betreuung. "Was passiert, wenn die Pflegerinnen nicht mehr nach Österreich kommen? Holen wir uns dann Hilfe aus noch ärmeren Ländern?" (Verena Kainrath, 21.2.2017)