Spät aufstehen, erstmal ausgiebig frühstücken, dann die Waschmaschine einräumen, Zeitung lesen, die Facebook-Timeline durchscrollen. Zwischendurch einkaufen oder mit der Freundin telefonieren. Die Tücken des Homeoffice sind bekannt. In Gegenwart anderer arbeite man deutlich disziplinierter, behauptet Christofer Franzén. Der Schwede hat deshalb "Hoffice" entwickelt – eine Vernetzungsplattform für Fremde, die sich zum Arbeiten eine Wohnung teilen wollen. Co-Working in den eigenen vier Wänden sozusagen.

Das funktioniert so: Interessierte organisieren über Facebook einen Hoffice-Tag. Gastgeber sollten einen Extraraum für Telefonate und saubere Arbeitsflächen bieten können. Bereitzustellen sind außerdem Mehrfachstecker und ein Zettel mit dem Wi-Fi-Passwort.

Ein Post-it an der Haustür als Wegweiser ins "Hoffice". Gastgeber benötigen außerdem saubere Arbeitsflächen, Mehrfachstecker und einen eigenen Raum für Telefonate.
Foto: Hoffice

Die Idee zu Hoffice hatte Franzén 2013, als er an seiner Masterarbeit schrieb und parallel dazu über kollektive Intelligenz referierte. Oft habe er alleine am Schreibtisch oder im Café gearbeitet, erzählt der Psychologe, "eigentlich absurd, wo ich doch selbst über die Potenziale Bescheid wusste, die der Austausch mit anderen bringt. Alleine sind wir außerdem viel anfälliger für Ablenkungen." So verabredete er sich mit Freunden zum gemeinsamen Arbeiten zu Hause, nach und nach schlossen sich Interessierte an – der Beginn von Hoffice.

Die Teilnehmer solcher Events sind in der Regel Studierende oder freiberuflich tätig, als Unternehmer, Journalisten, Grafikdesigner. Die Arbeitsform eignet sich nur für alle, die ihre Arbeit am Computer erledigen können. Ein Hoffice-Tag läuft nach einer klaren Struktur ab: Jeweils 45 Minuten wird gearbeitet, dann eine gemeinsame Pause eingelegt. Zu Beginn jeder Einheit soll man sich erzählen, woran man arbeiten wird.

Eines der ersten Hoffice-Events in Schweden.
Foto: amrit daniel forss

Zum Hoffice-Konzept gehören auch Achtsamkeitspraktiken. Sie lernte Franzén bei einem Aufenthalt in Sri Lanka kennen, wo er für eine buddhistische Selbsthilfeorganisation arbeitete. "Dort ging es darum, wie Menschen sich gegenseitig dabei unterstützen können, das Leben zu führen, das sie führen möchten." Eine wichtige Übung war Meditation. "In der Lage zu sein, den Fokus bewusst auf das zu lenken, was wichtig ist, kann allen helfen", sagt Franzén. Daher empfiehlt er auch Hoffice-Teilnehmern, in den Pausen gemeinsam zu meditieren oder sich zu dehnen – Tipps dazu finden sie auf der Hoffice-Homepage. Die "Hoffice-Massage" soll gegen Rückenschmerzen helfen. "Manche mögen das. Aber in vielen Hoffice-Gruppen wurden die Teilnehmer so etwas nie machen", sagt Franzén zum STANDARD.

In 120 Städten weltweit

Hoffice-Gruppen gibt es mittlerweile rund 120 Städten weltweit. Nicht überall konnte sich die Idee etablieren, gibt Franzén zu. In Indien etwa habe die hohe soziale Ungleichheit zu Sicherheitsbedenken geführt: "Die Menschen fragen sich: Wie kann ich darauf vertrauen, dass niemand zu mir nach Hause kommt und mich ausraubt?" Schweden hätten diese Ängste nicht. "Bei uns sind die Einkommensunterschiede geringer."

In rund 120 Städten gibt es Hoffice derzeit.

Stockholms Hoffice-Gruppe auf Facebook hat rund 1.900 Mitglieder. In Wien und Umgebung gibt es derzeit zwei Gruppen, die größere zählt 215 Mitglieder. "Bis vor einem Jahr haben wir uns regelmäßig einmal die Woche getroffen", sagt ihr Administrator. Dann seien einige Teilnehmer ausgeschieden – und keine weiteren Treffen mehr zustande gekommen.

Ähnlich ist die Situation in deutschen Städten: Insgesamt gibt es laut "Zeit Online" etwa elf Hoffice-Gruppen in Deutschland, von München über Darmstadt bis nach Hamburg. Manche haben nur drei Mitglieder, andere mehr als 100. Die meisten Gruppen, so scheint es, sind nicht mehr aktiv.

Woran es liegt, dass Gruppen zum Erliegen kommen? "Dafür können unterschiedliche Dynamiken verantwortlich sein", sagt Franzén. Teilnehmer ziehen weg, ein Konflikt ensteht, die Gruppe wächst, und die Kernmitglieder wollen ihre Wohnung keinen völlig Fremden zur Verfügung stellen. Franzén nimmt das gelassen. "Wenn eine Gruppe nicht mehr funktioniert, müssen wir das akzeptieren. Vielleicht erfüllt sie ihren Zweck nicht mehr." Anstatt alte mit aller Macht am Leben zu erhalten, bemühe man sich lieber um neue.

Christofer Franzén bei einem Hoffice-Event. Er selbst versucht nun mit Hoffice ein Einkommen zu generieren. Nicht über die Webseite selbst, sondern indem er Unternehmen in Stockholm zum Thema Co-Working berät.
Foto: amrit daniel forss

In Kooperation mit einem Sharing-Economy-Start-up entwickelt Franzén nun ein Tool, um Menschen mit ähnlichem beruflichem Background zusammenzubringen. "So können Synergien entstehen", sagt der Schwede, der plant, künftig auch Jobsuchende zu Hoffice-Events einzuladen. "Sie bekommen dadurch vielleicht Zugang zu einem ganz anderen sozialen Kontext, können wichtige Kontakte knüpfen." (Lisa Breit, 3.3.2017)