Wien – Beim Fremdenrechtspaket ist der sozialdemokratische Verteidigungsminister Hans Peter Dosokozil auf einer Linie mit dem schwarzen Innenminister Wolfgang Sobotka. Doch für die ganze SPÖ gilt das nicht: Im Parlamentsklub, der die geplanten Gesetze letztlich mitbeschließen müsste, regt sich Kritik.

Nurten Yilmaz stößt sich unter anderem daran, dass Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wird, umgehend aus der staatlichen Grundversorgung fallen sollen. Sie teile die Kritik des Wiener Flüchtlingskoordinators Peter Hacker, der als Folge ein Abrutschen in die Kriminalität befürchtet, sagt die Wiener Abgeordnete zum STANDARD: "Viele werden in der Obdachlosigkeit landen, manche werden gefunden werden, andere nicht." Den Sinn dahinter könne sie nicht erkennen, schließlich scheiterten Ausweisungen ja gerade daran, dass die Ursprungsländer diese Leute nicht zurücknehmen wollen: "Die neue Verschärfung wird daran nichts ändern."

Strafen für Asylwerber: "Völlig realitätsfern"

Das Gleiche gelte für den Plan, die Schubhaft bis auf 18 Monate auszudehnen. "Wen wollen wir damit erschrecken?", fragt sich Yilmaz. "Die Diktatoren in den Ursprungsländern der Asylwerber werden eher wenig beeindruckt sein." Für problematisch hält die Mandatarin auch die vorgesehenen Geldstrafen von bis 5.000 Euro, die Flüchtlingen im Fall von Falschangaben drohen. Der Referent einer Behörde werde nicht so einfach beurteilen können, ob ein Flüchtling, der keine oder nur lückenhafte Dokumente hat, wissentlich fehlerhafte Angaben gemacht habe: "Das ist realitätsfern."

Ob sie das Paket im Nationalrat ablehne werde? Erst müssten die Doskozil-Sobotka-Pläne im Detail diskutiert werden, sagt Yilmaz, vorerst kenne sie nur die Überschriften. Hinter diesen zeige sich allerdings ein bekanntes Muster. Man wisse nicht, wie man bestimmte Ziele erreichen könne, sei sich aber über die Strafen einig: "Ich weiß nicht, wie sich die Herren das vorstellen."

Yilmaz ist nicht die einzige Skeptikerin im SP-Klub. "Ja, das ist auch jene Wiens", sagte Häupl im "Presse"-Interview auf die Kritik Hackers angesprochen, dass tausende Betroffene in die Illegalität und Kriminalität abdriften würden. Es stimme schon, dass auch jetzt – wie die SPÖ-Minister Hans Peter Doskozil und Thomas Drozda sagten – Menschen untertauchen, "aber deswegen muss man ja nicht noch mehr Menschen unversorgt in die Illegalität drängen".

"Mir macht das kein gutes Gefühl", sagt die niederösterreichische Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig. Ein präzises Urteil müsse sie sich erst anhand der konkreten Pläne bilden, aber: "Ich bin sicher, dass wir das noch im Klub diskutieren."

Familienbeihilfe: "Sparen beim schwächsten Glied"

Yilmaz und Königsberger-Ludwig stellen sich auch gegen ein Vorhaben, zu dem sich die rote Regierungshälfte ebenfalls verpflichtet hat: Die Familienbeihilfe soll für jene Kinder von in Österreich arbeitenden EU-Bürgern, die im Ausland leben, an das dortige Lebensniveau angepasst werden. Da die Mehrzahl der Betroffenen aus Osteuropa stammt, liefe das in der Regel auf eine Senkung hinaus.

"Ich sehe dieses Vorhaben sehr kritisch", sagt Königsberger-Ludwig und meint damit nicht nur den von der ÖVP anvisierten nationalen Alleingang, um den Plan gegen Widerstand aus der EU durchzusetzen. "Mehr Solidarität" in Europa wünscht sich die Mandatarin. "Statt die wirklich großen Probleme der EU anzugreifen, spart man beim schwächsten Glied, wo sich am leichtesten etwas durchsetzen lässt", ärgert sie sich, "und das sind in dem Fall zum Beispiel jene Menschen, die für uns die Altenpflege leisten." Auch in diesem Fall gelte: Sie hoffe, dass sich in parlamentarischen Beratungen etwas zum Besseren wenden lasse – "aber leicht ist es gerade nicht".

"Ich kann nicht glauben, dass die SPÖ in der Regierung solch einer Idee zustimmt und auch noch glaubt, Gerechtigkeit zu schaffen", sagt Klubkollegin Yilmaz. "Mir tut es weh, wenn Leuten, die Steuern und Abgaben zahlen, wichtige Dienstleistungen erbringen und ihre Kinder zurücklassen müssen, die Familienbeihilfe gekürzt wird." Sie habe volles Verständnis, dass sich die Regierung gegen Sozial- und Steuerdumping osteuropäischer Länder wehren wolle, argumentiert Yilmaz: "Aber was ist die Konsequenz dieser Reaktion? Wir bestrafen die Pflegerin, die uns den Sabber vom Mund wischt."

Im SPÖ-Klub gibt es freilich auch die Gegenposition. Da die Familienbeihilfe dazu da sei, reale Lebenskosten abzudecken, sei die Anpassung gerechtfertigt, sagt die Abgeordnete Daniela Holzinger, die sich in der Vergangenheit oft gegen die Parteilinie gestellt hatte. Wolle man Pflegerinnen besserstellen, müsse das über die Bezahlung geschehen. (Gerald John, 28.2.2017)