Vor eineinhalb Jahren zeigte Europa Solidarität mit Menschen auf der Flucht – in einem Ausmaß, das beeindruckt hat. Die Bevölkerungen und die Regierungen von Österreich, Deutschland und Schweden haben Außergewöhnliches in einer Situation geleistet, auf die sie sich nicht vorbereitet hatten. Auch in Griechenland hat der selbstlose Einsatz der Zivilbevölkerung gezeigt, wozu wir in der EU imstande sind. Doch nach etwas über einem Jahr ist die öffentliche Anteilnahme gesunken. Viel Geld und Energie fließen in eine Politik der Abschottung und in schmutzige Deals mit Ländern wie der Türkei, Libyen und dem Sudan, anstatt mit sicheren Fluchtwegen und Aufnahmeprogrammen und der Aufstockung der Vororthilfe Perspektiven für Menschen auf der Flucht zu schaffen.

Im STANDARD vom 24. Februar 2017 hoben der österreichische Außenminister und der Fraktionsvorsitzende der EVP die Effektivität des EU-Türkei-Deals hervor. Die syrischen Familien, mit denen ich auf Lesbos gesprochen habe, sehen das anders. Sie sind es, die den Preis für diesen Deal bezahlen. Wir haben die verheerenden Auswirkungen auf tausende Männer, Frauen und Kinder dokumentiert, die auf griechischen Inseln unter elenden Bedingungen festsitzen.

Amnesty International hat belegt, dass Menschen trotz gestellten Asylantrags zurück in die Türkei geschickt wurden – ein schamloser Bruch internationalen Rechts. Tatsache ist, das EU-Türkei-Abkommen ist menschenrechtlich gescheitert. Der Deal ist kein Erfolgsrezept der EU im Umgang mit Flüchtlingen.

Sichere Fluchtwege

Während geflüchtete Menschen immer noch in und um Europa in Gefahr leben müssen, liegen nachhaltige Lösungen auf dem Tisch. Diese umzusetzen muss absolute Priorität haben. Wer, wie der österreichische Außenminister, verhindern möchte, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken, muss sichere Fluchtwege schaffen.

Wir wollen der zunehmenden Resignation entgegensteuern. Die Situation von Menschen auf der Flucht ist unfassbar, aber sie ist lösbar: mit den vom UNHCR entwickelten bedingungslosen Resettlement-Programmen, die besonders schutzbedürftigen Menschen die Chance geben, ein neues Zuhause zu finden. Oder durch Erleichterungen bei der Familienzusammenführung. Damit können zerrissene Familien wieder gemeinsam in Sicherheit leben. Aber auch durch die dauerhafte Umsiedelung jener Flüchtlinge, die in Italien und auf griechischen Inseln unter unmenschlichen Bedingungen festsitzen.

Konkrete Lösungen gibt es. Österreich hat mit dem Humanitären Aufnahmeprogramm seit 2013 mit der Etablierung sicherer Fluchtwege begonnen. Jetzt gilt es, diese nachhaltigen Konzepte auszubauen. Der reflexhafte Wunsch nach strengen Grenzkontrollen mag naheliegen. Die einzige realistische und beherzte Lösung ist jedoch, schutzsuchende Menschen menschenrechtskonform aufzunehmen, anstatt um jeden Preis zu versuchen, sie fernzuhalten. (Gauri van Gulik, 2.3.2017)