Beforscht Gene und singt Bachs Kantaten: Biomedizinerin: Sonja Lindinger.

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Wien – Als praxiserprobte biomedizinische Analytikerin kennt und mag Sonja Lindinger die Arbeit in einem Spitalslabor. Ihre wahre Leidenschaft ist aber die Forschung. "Da ist alles offen, man kann frei denken", schwärmt die 27-Jährige. "Man muss halt lernen, auch mit Rückschlägen umzugehen." Frustrationstoleranz ist vor allem dann gefragt, wenn sich eine überzeugend klingende Hypothese nicht bestätigen lässt, ein emotionaler Härtetest, der schon manchen das akademische Handtuch werfen ließ.

Auch Sonja Lindinger hat diese Ernüchterung durchlebt, als sie für den berufsbegleitenden Masterlehrgang Biomedizinische Analytik an der FH Campus Wien ihre erste wissenschaftliche Arbeit verfasste. Aber weil sie da schon mit dem Forschungsvirus infiziert war, hat sie aus dem nicht gerade herbeigesehnten Ergebnis ihrer Untersuchung das Beste gemacht und einfach weitergeforscht. "Eigentlich wollte ich die Vermutung untermauern, dass seltene Mutationen im Gen CXORF21 eine wichtige Rolle in der Genetik der Autoimmunerkrankung systemischer Lupus erythematosus, kurz 'Lupus', spielen", sagt Lindinger. Es stellte sich jedoch heraus, dass es diesen Zusammenhang nicht gibt, womit sie die Hypothese mit ihrer Arbeit widerlegte.

Statt Frust mobilisierte diese Erkenntnis die wissenschaftliche Abenteuerlust der Oberösterreicherin. Und so konzentrierte sie sich in der Folge auf ein kaum erforschtes Protein, das vom Gen CXORF21 produziert wird. Konkret untersuchte sie dessen Vorkommen bei gesunden beziehungsweise an Lupus erkrankten Menschen. Diesmal wurde ihre Hypothese im Labor klar bestätigt: "Wir fanden in den Monozyten der Patienten eine deutlich höhere Konzentration dieses Proteins als in jenen der Kontrollgruppe." Die Ursachen dafür liegen zwar noch im Dunkeln – aber möglicherweise bringt ja die geplante Dissertation auch hier Erhellung.

Zunächst darf sich Lindinger über den MTD-Innovationspreis 2016 des Dachverbands der gehobenen medizinisch-technischen Dienste Österreichs für ihre Masterarbeit freuen. Diese hat sie in sportlichen sechs Monaten am King's College in London verfasst. Ein halbes Jahr Bildungskarenz, ein Erasmusstipendium und eine Portion Glück haben ihr den Platz an der Elite-Uni gesichert. Wie sie in so kurzer Zeit nicht nur eine vielbeachtete Masterarbeit fertigbringen, sondern auch London entdecken konnte? "Wochentags wurde bis zum Umfallen gearbeitet, am Wochenende habe ich mit meiner Freundin die Stadt erkundet", sagt Lindinger. "Länger als ein halbes Jahr hätten wir dieses Tempo aber nicht durchgehalten."

Jedenfalls war nach dieser intensiven Erfahrung klar, wohin die berufliche Reise geht: "Ich habe meinen Laborjob am Krankenhaus Wels gekündigt, weil ich in der Forschung bleiben möchte." Inzwischen arbeitet sie in einer Forschungsgruppe am Institut für Biophysik der Johannes-Kepler-Universität Linz mit, im Herbst geht sie ihre Dissertation an. Müßiggang ist auch nach den Londoner Hochgeschwindigkeitsmonaten nicht ihr Ding. Wenn Lindinger nicht gerade im Labor steht, wird im Chor gesungen. Besonders angetan haben es ihr dabei die Kantaten, Motetten und Oratorien der Barock-Großmeister von Bach bis Purcell. (Doris Griesser, 12.3.2017)