Wien – Menschen für Wissenschaft begeistern: Das funktioniert nicht nur über gut kommunizierte Forschung, sondern in manchen Fällen schon, bevor die Forschung startet. Bürgerbeteiligung lautet das Stichwort, oder in der angloamerikanischen Tradition, Citizen Science. Wie diese gelingt, wurde vergangene Woche in Wien bei der dritten österreichische Citizen-Science-Konferenz thematisiert. Unter dem Motto "Expanding Horizons" kamen etwa 200 Besucher, auch internationale Vortragende von den Universitäten Reading und Umea waren da.

Ins Leben gerufen hat die jährliche Tagung die Plattform "Österreich forscht", die Citizen-Science-Akteure vernetzt. Und zwar so erfolgreich, dass sie international als Vorreiterin gilt: "Der New Zealand Landcare Trust hat uns als Vorzeigeprojekt aus Europa gelistet", sagt Florian Heigl, Mitorganisator der Konferenz. Auch in der Schweiz habe man sich das österreichische Konzept zum Vorbild genommen, was auch am Titel "Schweiz forscht" zu erkennen ist.

Themenerweiterung

Im Vergleich zu den Vorjahren haben sich die Themen in diesem Jahr von den Umwelt- und Naturwissenschaften ausgehend zu den Geistes- und Sozialwissenschaften hin erweitert. "Österreich forscht" hat seinen Ursprung an der Universität für Bodenkultur Wien. Zunächst wurden den Initiatoren bekannte Projekte ins Netzwerk geholt, erzählt Heigl.

Für die diesjährige Konferenz gab es einen offenen Aufruf, sich mit eigenen Projekten und Themen vorzustellen. "Jetzt sieht man, dass die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften genauso reinspielen, nur haben wir sie bis jetzt kaum gesehen", so Heigl. Der Wissenschaftsfonds FWF, zusammen mit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) Mitveranstalter, sieht die thematische Erweiterung positiv. Für sein Förderprogramm "Top Citizen Science" liegen derzeit 18 Projektanträge vor, von denen elf aus den Geistes- und Sozialwissenschaften stammen.

Laien in die Forschung holen

Politikwissenschafterin Katharina Paul von der Uni Wien gehörte heuer zu den Hauptreferentinnen. Sie beforscht Impfpolitik. Vor zehn Jahren untersuchte sie die Debatte zur Impfung gegen humane Papillomviren – und führte dafür Interviews mit Expertinnen und Experten. Doch dies war ihr zu wenig. Durch Kontakt zu Citizen-Science-Projekten aus der biomedizinischen Forschung kam ihr die Idee, selbst eine Studie mit Laienbeteiligung durchzuführen.

"Ich habe mit Jugendlichen gearbeitet, die über ein Onlinetool Pressemeldungen analysiert haben", so Paul. "Es ging vor allem um das Zuweisen von Inhalten." Die Schüler waren direkt an der Analyse beteiligt. Dies habe mehr Daten und eine bessere Dokumentation des Debattenverlaufs gebracht. Zusätzlich lernten die Jugendlichen, wie Forschung ablaufen kann, und befassten sich mit statistischen Methoden.

Plattform "naturbeobachtung.at"

Vor anderen Herausforderungen stehen schon länger bestehende Projekte wie die 2006 gegründete Plattform "naturbeobachtung.at". Dort können Nutzer melden, wenn ihnen bestimmte Tiere unterkommen. Rund 330.000 Fundmeldungen von Schmetterlingen, Dachsen und anderen Tieren sind bisher eingegangen.

Mittlerweile stößt das Netzwerk laut Gernot Neuwirth vom Naturschutzbund an seine Grenzen: "Die Meldeplattform wird so gut angenommen, dass unsere Experten nicht mehr regelmäßig alle Funddaten validieren können. Sie brauchen Unterstützung. Auf der anderen Seite sind viele der Melder über die Jahre zu profunden Artenkennern geworden und suchen neue Herausforderungen."

Berechtigungssystem geplant

Geplant sei ein Berechtigungssystem, bei dem erfahrene Melder den ehrenamtlich tätigen Experten bei der Datenvalidierung helfen. Zusätzlich könnten Melder und Experten wissenschaftliche Fragen erarbeiten. Die Daten der Plattform werden bereits in Fachpublikationen veröffentlicht. "Aktuell helfen die Melder bei der Dokumentation des Admirals, einem Wanderfalter, für eine Studie der Uni Bern", sagt Neuwirth. Manche Anpassungen müssen aber noch bis 2018 warten – da soll die nächste Citizen-Science-Konferenz in Salzburg stattfinden. (Julia Sica, 9.3.2017)