Gut, es mögen nur die Füße sein. Aber was heißt hier nur? Mit nichts kommen wir derart viel in physischen Kontakt wie mit dem Boden. Und doch treten wir ihn oft mit Füßen, zumindest was seinen Platz in der Hierarchie der Einrichtungsdinge betrifft. Hand aufs Herz oder Blick in die Wohnmagazine: Welchen Platz nimmt trotz aller Quadratmeter schon der Boden ein?

Man möchte halt vielleicht doch lieber einmal so eine Sofa-Burg von Minotti. Der Eames-Lounge-Chair wäre auch so ein Wohntraum. Man googelt noch einmal die kupfernen Leuchten von Tom Dixon, schließlich würden sie sich schmuck über dem Esstisch machen. Und da wäre noch der Samttrend, und der Fauteuil gehört schon längst neu überzogen.

Junge Designer wie Bilge Nur Saltik experimentieren in Sachen Teppich vermehrt mit dem Mix von Materialien, zum Beispiel Holz, Stein und Textilien.
Foto: Deutsche Messe AG

Der Boden? Der ist da. Schiffsboden, Parkett, zugegeben, da gibt es einwandfreie Lösungen, aber die sind im Vergleich zu Sofa, Bett und Esstisch halt doch eher ein Stiefkind der Zeit. Man erinnere sich an Stragula, eine weitverbreitete Linoleum-Imitation der 1950er- und 1960er-Jahre, den Siegeszug des Spannteppichs, und irgendwann musste es vor allem bei den Kreativen ein Gussbetonboden sein. Schließlich kamen Teppiche wieder in Mode, und selbst der Tapete mit unzähligen neuen Dessins und Verarbeitungstechnologien ist nach längeren komatösen Phasen mehr Publicity beschieden als dem guten alten Fußboden.

Zu Unrecht, denn auch in Sachen Bodenhaftung tut sich eine ganze Menge, wie man auch in Hannover auf der vor kurzem zu Ende gegangenen Messe Domotex erfahren konnte.

Neuentdeckung

"Die Branche entwickelt sich nicht sprunghaft", sagt einer der bekanntesten deutschen Designer namens Stefan Diez. Dass inzwischen eine Menge kleine Schritte getan wurden, machen nicht nur neue Designs, sondern auch Verarbeitungstechniken klar. Neuentdeckungen sind Parkettböden mit geometrischen Messing-Inlays, Bodenplatten mit einem Belag aus verpresstem Almheu, zerkleinerte Schalen von Kakaobohnen in Linoleum oder schimmernde Teppichböden aus recycelten Fischernetzen.

Freilich geht es auch nach wie vor weniger experimentell und exotisch. Ein großes Thema auf der Messe mit über 1400 Ausstellern aus 61 Ländern waren Fischgrätböden, die neu interpretiert werden. Überhaupt scheinen Hölzer und Holzoptiken mit auffallenden Maserungen bis hin zum Used-Look einer der Renner zu sein. Wem das zu shabby ist, der setzt in Sachen Holz auf eine Vielfalt von Farben, Formen und Formaten ebenso wie auf neue Verlegetechniken.

Havwoods setzt wie andere Holzbodenunternehmen auf einen Mix von Oberflächen.
Foto: Adam Drobiec

Nachgefragt beim Wiener Architekten Christian Knechtl, welchen planerischen Faktor er dem Thema Fußboden beimisst, sagt dieser: "Fußböden, besonders Holzböden, werden gerade heute als wesentliche raumgestaltende Elemente gesehen. Die Forschungsergebnisse im Bereich der positiven Effekte von Echtholz überzeugen auch Skeptiker. Intuitiv nehmen Menschen zunehmend wahr, dass natürliche Materialien eine positive Wirkung auf den Organismus ausüben. Und hier ist es besonders der Boden, der als Basis der täglichen Aktivitäten gravierend mitbestimmend für das 'Wohlgefühl' in einem Raum ist."

Licht an

Im Bereich der Teppichböden regiert der Schein, und zwar in Form von dezenten Metallic-Effekten wie Silber, Bronze oder Gold. Wer es bodenständiger bevorzugt, kann wie auch in anderen Gefilden des Interieur-Designs aus einem reichen Angebot an naturnahen Tönen schöpfen, die an Erde, Sand oder Steine erinnern.

Böden werden immer mehr zum großflächigen Interieur-Feature, das für Designer eine Spielwiese bietet, die an Attraktivität gewinnt.

Vor allem in visuellen Belangen können Designer und Anbieter aber noch viel mehr auf den Boden bringen, so sind es vor allem kleine Ornamente und großflächige Muster, die derzeit eine große Rolle spielen, von Kreisen und Kreissegmenten bis hin zu Dreiecken und Karos in allen Variationen.

Mutiger und visionärer geht es der niederländische Designer Klaas Kuiken an, der wie andere Teilnehmer des "Young Designer Trendtable" der Domotex die Zukunft des Bodens in seiner stetigen Veränderung sieht. Er verlegt fliesenartige Elemente auf Schaumstoffstreifen. Werden diese betreten, neigen sie sich ein wenig zur Seite, sodass für kurze Zeit ein darunter installiertes Licht sichtbar wird.

Trendgeschichten

Ebenfalls im Rahmen der Trendschau zu sehen waren die Böden der Berlinerin Hanne Willmann. Sie fügt unter anderem Teppichstreifen in einen rillenförmigen Holzboden ein, um weiche Zonen schaffen. Die Pariserin Victoria Wilmotte verbindet traditionelle Materialien wie Stein und Marmor mit Kunstharz. Dabei entstehen Bodenwelten, die an bunte, abstrakte Stadtpläne erinnern. Verspielter mag es das Studio von Bilge Nur Saltik mit Sitz in London und Istanbul. Hier fräst man Löcher in Bodenbeläge, aus denen gleich Moospölstern kleine Teppichinseln wuchern.

Hanne Willmann rückt u. a. das taktile Erlebnis in Sachen Böden in den Vordergrund.
Foto: Domotex 2017

Man sieht, der Boden hat viel mehr drauf, als nur zu verhindern, dass uns die Schwerkraft ins Bodenlose zieht. Ferner verfügt er gegenüber so manchem Interieur-Objekt über einen weiteren entscheidenden Mehrwert, den der italienische Architekt und Designer Piero Lissoni folgendermaßen auf den Punkt bringt: "Ein Bodenbelag ist eine taktile Erfahrung. Am Ende sind wir Affen. Diese Erfahrung ist abhängig von unserem Geschmack. Manchmal ist es angenehm, auf einem Teppich zu gehen, manchmal auf einem Stein." Geschmäcker sind verschieden. Das wird offensichtlich auch der Teppichwelt immer bewusster. (Michael Hausenblas, RONDO, 22.3.2017)

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