Flüchtlinge aus Aleppo in einem Lager unweit der türkischen Grenze.

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Luxemburg/Straßburg – Der zuständige belgische Staatssekretär Theo Franken war begeistert: "Jaaa! Gewonnen!", twitterte er. Kurz davor war am Dienstag bekanntgeworden, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg keine europarechtliche Zuständigkeit sieht, um zu entscheiden, ob einer syrischen Familie ein humanitäres Visum zur Einreise nach Belgien zu gewähren ist.

Die Syrer – orthodoxe Christen aus Aleppo mit drei kleinen Kindern – hatten vorgehabt, nach ihrer Einreise in Belgien einen Asylantrag zu stellen. Hätte das EuGH-Urteil dies zugelassen, so wären Visumsanträge von Schutzsuchenden künftig in allen EU-Mitgliedstaaten in vielen Fällen positiv zu bescheiden gewesen: eine der derzeit in den meisten Unionsstaaten praktizierten Abschottungspolitik widersprechende Situation.

EU-Visakodex hängt an Grundrechtscharta

Die Syrer hatten sich auf die Visa betreffende europäische Rechtsgrundlage berufen: den EU-Visakodex. Dieser ist an die EU-Grundrechtecharta gebunden – und die sieht unter anderem ein Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung vor. Wer der Gefahr einer solchen Behandlung ausgesetzt ist, gilt als schutzbedürftig und damit aus humanitären Gründen einreiseberechtigt.

Genau so hatte im Februar auch der EuGH-Generalanwalt Paolo Mengozzi die Sachlage gesehen. Doch die Große Kammer des EU-Höchstgerichts, das den Vorschlägen seiner Generalanwälte sonst in den meisten Fällen folgt, kam nach 14 massiv gegen die Visumsgewährung argumentierenden Stellungnahmen nationaler Regierungen zu einer anderen Ansicht: bei der Antragstellung an der belgischen Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut im Dezember 2016 hätten die Syrer gar kein dem EU-Visakodex entsprechendes Visum beantragt, das innerhalb von sechs Monaten für 90 Tage gewährt werden kann, urteilten sie.

Belgische Gesetze anzuwenden

Aufgrund ihres Asylantragplans nämlich hätte sich ihr Aufenthalt in Belgien um einiges verlängert: "Sie strebten die Erteilung eines Aufenthaltstitels an, dessen Gültigkeit nicht auf 90 Tage beschränkt wäre." Somit sei über den Aufenthaltstitel allein auf Grundlage der belgischen Regelungen zu entscheiden.

"Rechtlich kann man das durchaus so argumentieren", kommentiert dies der Anwalt und Asylrechtsexperte Georg Bürstmayr. Somit bleibe es dabei: "Für Asylsuchende gibt es keine legale Einreisemöglichkeit in die EU." Während die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Ska Keller, auf die seit April 2016 laufenden Verhandlungen über eine EU-weite Regelung zu humanitären Visa für Asylsuchende hinweist: "Das Parlament ist dafür, der EU-Rat strikt dagegen." (Irene Brickner, 8.3.2017)