Lokführer Kurt Amacher führt beim Heizerkurs in der Schweiz vor Augen: Der Job des Heizers in einer alten Dampflok besteht überwiegend aus Schmieren und Polieren, weniger darin Kohle zu schaufeln.

Foto: Axel Baumann

1892 ging die Zahnradbahn aufs Brienzer Rothorn in Betrieb. 15 Monate dauerte der Bau auf den 2.350 Meter hohen Berg im Schweizer Kanton Bern.

Foto: Swiss Travel System AG

Noch heute bestehen Teile des Schienenmaterials und die Zahnstangen aus den Anfangsjahren.

Foto: Brienz Rothorn Bahn

Während die übrigen Teilnehmer im angehängten Wagen entspannt die Fahrt mit Aussicht auf den blauen Brienzersee und schneebedeckte Zweitausender wie Schwarzhorn und Wildgärst genießen, wischt sich der Aushilfsheizer den Schweiß von der Stirn.

Foto: Brienz Rothorn Bahn
Foto: Brienz Rothorn Bahn
Foto: Brienz Rothorn Bahn

Die Luft riecht nach verbrannter Kohle. Hellbraune Rauchschwaden ziehen in Richtung Brienzersee, als die wenigen Fahrgäste den Luzern-Interlaken-Express im Schnitzerdorf Brienz verlassen. Eingerahmt von mächtigen Holz-Chalets befindet sich nur wenige Schritte entfernt ein unscheinbarer weiterer Bahnhof. Von hier kommt der Rauch, denn hier quietscht und rangiert eine grün-schwarze Dampflok der Brienz-Rothorn-Bahn.

Ein paar Stunden zuvor haben Lokführer Kurt Amacher und Heizer Christian Flück die über 125 Jahre alte Zahnradlok mit der Nummer "2" angeheizt. Das Licht der 800-Millimeter-Schienenwelt erblickte die betagte Dame 1891 in der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik in Winterthur. An diesem Morgen ist sie für eine besondere Aufgabe auserkoren: Nicht wie üblich ein Heizer, sondern gleich fünf Freiwillige werden sie während eines Heizer-Kurses umsorgen. Als Erstes geht es für die vier Männer und eine Frau ab in die Kleiderkammer, denn eine Dampflok zu fahren und zu heizen, bedeutet Staub, Öl und schwarze Hände.

Wellness für die alte Dame

Kursleiter Kurt Amacher kennt jede Schraube, jede Niete. Ein Lokführer steht hier nicht nur im Führerstand, sondern pflegt, wartet und prüft die Funktionstüchtigkeit seiner Lok eigenhändig. Putzen und Schmieren stehen dabei ganz oben im Pflichtenheft. Auch die Neulinge dürfen nach kurzer Einweisung gleich mitarbeiten. "60 Prozent des Heizerjobs bestehen nicht daraus, Kohlen zu schaufeln, sondern aus Wischen und Polieren." Die sauberen Putzlappen, die die Lok auf Hochglanz bringen sollen, liegen schon auf den Holzbänken im Beiwagen bereit. "25 Stellen müssen wir ölen und schmieren", verrät der Kursleiter: "Das ist Wellness für die alte Dame, damit ihre Gelenke nicht einrosten. Der Heizer ist ihr Masseur. Er spürt jede Verspannung, jedes Wehwehchen und jede Veränderung der Maschine."

TV.355

1892 ging die Zahnradbahn aufs Brienzer Rothorn in Betrieb. 15 Monate dauerte der Bau auf den 2.350 Meter hohen Berg im Schweizer Kanton Bern. Noch heute bestehen Teile des Schienenmaterials und die Zahnstangen aus den Anfangsjahren. "Eine Elektrifizierung hat auf dieser Linie nie stattgefunden", sagt Simon Koller, Direktor der Brienz-Rothorn-Bahn: "Da die Gäste während des Ersten Weltkriegs und in den darauffolgenden Jahren ausblieben, fehlte das Geld für diese Investition. Heute betrachten wir es als große Chance, denn die BRB ist die einzige Zahnradbahn der Schweiz, die planmäßig von Mai bis November mit Dampf fährt."

Mit Feuereifer schaufeln

Auf dem Bahnsteig beginnt inzwischen das Trockentraining. Die richtige Haltung und der Bewegungsablauf beim Schaufeln wollen gelernt sein. Bei viel Platz im Freien sieht alles ganz einfach aus, aber im schmalen Führerhäuschen ist es neben dem Lokführer eng. Wenn dieser die Feuerklappe öffnet, hat einer der Lehrlinge mit Schwung eine Ladung Kohlen ins Innere der Lok zu befördern. 550 Kilogramm faustgroße polnische Kohlenstücke fasst der Tender.

Einer der Freiwilligen wagt sich in die Lok und schaufelt mit Feuereifer Kohle auf den Rost. Allerdings nicht so schön säuberlich wie Kurt Amacher es demonstriert hatte. "Das ist ganz wichtig", wiederholt dieser: "Sonst brennt das Feuer ungleichmäßig. Es strömt kalte Luft hinzu, und das Feuer fällt in sich zusammen. Als Folge verliert die Lok an Kraft." Während die übrigen Teilnehmer im angehängten Wagen entspannt die Fahrt mit Aussicht auf den blauen Brienzersee und schneebedeckte Zweitausender wie Schwarzhorn und Wildgärst genießen, wischt sich der Aushilfsheizer den Schweiß von der Stirn.

Die Maschine runterkühlen

Schaufel um Schaufel schiebt er in den nimmersatten Schlund, bis die Lok ein Ausweichgleis auf halber Strecke zur Mittelstation Planalp erreicht. Nun kommt eine Haube ins Spiel, die Amacher bei der morgendlichen Einweisung kurz erklärte: "Die wird vor einem Tunnel über den Schlot gezogen, damit der Rauch nach unten gedrückt wird. So verhindern wir, dass Rauch und Asche zu den Passagieren in den Wagen gelangen."

Am Ziel Planalp angekommen, darf die alte Dame ihren Durst am Wasserkran stillen. Ein Lehrling dreht den Arm des Krans über die Lok, ein anderer führt den Schlauch über den Einfüllstutzen: "Wasser marsch!" "Wir brauchen kaltes Wasser", sagt Kurt: "Bei der Talfahrt wird die Dampfmaschine als Luftpumpe betrieben. Sie bremst den gesamten Zug. Darum müssen wir zur Kühlung kaltes Wasser einspritzen."

Mit Hochglanz rangieren

Drei weitere Male zuckelt die alte "2" noch bis zur Planalp. Bei jeder Fahrt haben die Hilfsheizer die Chance, ihre Schaufelhaltung zu verbessern. Nach der Rückkehr in den Bahnhof Brienz riecht es noch nicht nach Feierabend. Einer muss die Asche aus der Rauchkammer kratzen. Alle anderen dürfen noch einmal der Hauptbeschäftigung des Heizers frönen und die Maschine rundum auf Hochglanz polieren. Geschafft! Kurt Amacher rangiert Lok "2" auf ihren Schlafplatz, wo sie auf den nächsten Einsatz wartet.

Als wohlverdienter Lohn winkt das "Heizerwürstli", eine Spezialität direkt aus der Dampflok. Diese hat außen an der Seite einen zylinderartigen Minikessel, der über dem heißen Dampfkessel erwärmt wird. So haben früher Lokführer und Heizer ihre Mahlzeiten aufwärmen können.

Und noch während man die Kesselwurst verdrückt, rollt auf dem Bahnhof gegenüber der mit einem Joystick gesteuerte Elektrozug aus Interlaken ein. (Dagmar Krappe, 13.3.2017)