Die automatische Ortung einzelner Kühe im Stall ist eine große technische Herausforderung.

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In großen Viehwirtschaften mit tausenden Rindern ist es nicht einfach, den Überblick zu behalten. Welche Kuh ist brünstig, welche trächtig, welche krank? Und wo im Stall oder in der freilaufenden Herde sind sie zu finden? Antworten auf diese Fragen kommen aus Oberösterreich, von wo aus das Unternehmen Smartbow zigtausenden Rindern in aller Welt kluge Ohrmarken mit hochentwickelter Sensorik verpasst. Sie kann an den Ohrbewegungen der Tiere so einiges ablesen.

Um die Idee zur Marktreife zu führen, hat sich Smartbow mit dem Forschungsinstitut Linz Center of Mechatronics (LCM) zusammengetan, in dem das K2-Zentrum Austrian Competence Center of Mechatronics (ACCM) integriert ist. In die kleinen Elektronikbauteile am Ohr mussten Beschleunigungssensoren und extrem energieeffiziente Funktechnik untergebracht werden. Durch die auf WLAN-Technik basierenden Funkimpulse, die von mehreren Basisstationen aufgefangen werden, können so die genauen Standorte der Tiere errechnet werden, sagt Johann Hoffelner, wissenschaftlicher Geschäftsführer des LCM. "Die Ortung der einzelnen Tiere im Stall war eine große Herausforderung, weil das Signal dort vielfach reflektiert wird." Algorithmen von Smartbow gleichen die übermittelten Sensorinformationen mit aus Videos extrahierten Daten zu typischen Ohrbewegungen in verschiedenen Situationen ab.

Kombination von Mechanik, Elektronik und Informatik

Für Hoffelner ist die Lokalisierungsanwendung per Funkchip gemeinsam mit der maßgeschneiderten Software, ein "klassisch mechatronischer Ansatz", also eine Kombination von Mechanik, Elektronik und Informatik und damit ein Kerngebiet des LCM. "Der Charme der Mechatronik ist, dass unterschiedliche Technologien zu einer Gesamtlösung integriert werden", erklärt LCM-Geschäftsführer Gerald Schatz. Für die beiden Experten ist ihre Disziplin ein Kerngebiet moderner vernetzter und autonomer Systeme, wie sie in der Industrie 4.0 eingesetzt werden.

Umsetzung fand das Prinzip etwa auch in der Entwicklung neuartiger Biegeautomaten für den Hersteller Salvagnini. Die Maschinen haben die Aufgabe, Bleche etwa zu Schaltschränken oder Leuchtmittelfassungen zu formen. Bisher war mit mehreren Ausschussteilen zu rechnen, bevor die Maschinen auf eine neue Serie eingestellt waren. Doch das hat sich geändert: "Die Maschine misst jetzt während der Produktion die Blechqualität und überbiegt das Material so weit, dass es exakt bis zur richtigen Position zurückfedert", sagt Hoffelner.

Grundlage der Technologie ist ein virtuelles Abbild der Maschine. "Das Datenmodell der Maschine wird mit Echtzeitdaten aus der Produktion gefüttert, damit die richtige Entscheidung getroffen werden kann", veranschaulicht Schatz. Die Automatisierung ermögliche so individuelle Fertigungen, also eine Losgröße von eins, und bringe Energie- und Rohstoffersparnisse.

Automatisches Design

Doch nicht nur die Produktion, auch das technische Design von Bauteilen kann automatisiert werden, betont Schatz. Die Forscher bieten etwa ein cloudgestütztes Softwaretool an, das Elektromotoren je nach Anforderungen plant, die etwa Wirkungsgrad, Baugröße oder Drehmoment betreffen. "Ich kann die für mich am besten geeignete Designform des Motors generieren, inklusive Schaltungsplänen und Werkstattzeichnungen, und auch gleich den Bestellvorgang starten", erklärt Hoffelner. "Man erhält auf diese Weise sehr individuelle Motoren in sehr kurzer Zeit." (Alois Pumhösel, 21.3.2017)