Als US-amerikanischer Staatsbürger war Stephan Herz der einzige jüdische Student, der 1939 noch an der Technischen Hochschule Wien studierende konnte.

Foto: Universitätsarchiv der TU Wien

Im August 1939 wurde Hans Mühlbacher zur Deutschen Wehrmacht eingezogen. Als "Mischling I. Grades" im Fronteinsatz, war es ihm möglich, 1942 seine Dissertation an der Technischen Hochschule Wien einzureichen. Anfang 1943 wurde er aus dem Wehrdienst entlassen, danach war er in der Raketenforschung tätig.

Foto: Universitätsarchiv der TU Wien

Der Bibliothekar Otto Lazar wurde 1938 seines Amtes enthoben, 1939 in den Ruhestand versetzt. Im April 1941 emigrierte er nach Schweden, wo er erneut als Bibliothekar tätig war. 1946 kehrte er an die Technische Hochschule Wien zurück und wurde zum Bibliotheksdirektor ernannt.

Foto: Universitätsarchiv der TU Wien

Wien – Alfred Preis, Matrikelnummer 218/32, hatte seine zweite Staatsprüfung noch im Mai 1938 abgelegt, bevor er 1939 in die USA emigrierte. Der in Wien geborene Jude, der 1936 zum römisch-katholischen Glauben konvertierte, wurde dort nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbour als "feindlicher Ausländer" interniert. Später sollte der Architekt und Designer das USS Arizona Memorial in Pearl Harbour errichten, das 1962 vom damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy eröffnet wurde. Nach einer Karriere als erster Leiter der Hawaii State Foundation for Culture and the Arts starb Preis 1994 in Honolulu.

Der in Polen geborene Jude Szyja Yehoshua Blum, Matrikelnummer 430/36, kehrte nach der Ablehnung seiner Inskription im Sommersemester 1938 dagegen in sein Geburtsland zurück. Die letzten Stationen seines Lebens sind Lódz, das Warschauer Ghetto und das Vernichtungslager Majdanek, wo er 1942 ermordet wurde.

Unterschiedliche Lebenswege

Preis und Blum waren bis zum "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im Jahr 1938 Studierende der Technischen Hochschule Wien (TH), wie die Technische Universität Wien bis 1975 hieß. Beide gehören zu den Vertriebenen der nationalsozialistischen Herrschaft. Ihre Lebenswege könnten dennoch kaum unterschiedlicher sein.

Die Schicksale von Preis, Blum und vielen anderen Studierenden und Angehörigen der TH versammelt ein neuer Band, den Paulus Ebner, Juliane Mikoletzky und Alexandra Wieser vom Universitätsarchiv der TU Wien in mühevoller Recherche erarbeitet haben. "Wir haben uns bereits in zwei Bänden der 15-bändigen Festschrift zum 200-Jahr-Jubiläum der TU Wien mit der Geschichte von 1914 bis 1955 beschäftigt. Darin gab es aber nicht genug Platz für Details der Vertreibungen. Sie tragen wir nun nach", erläutert Paulus Ebner den Hintergrund der neuen Publikation, die am Mittwoch im Jüdischen Museum Wien präsentiert wird.

Rassistisches Recht

Dass die Gesinnung in naturwissenschaftlichen Arbeiten – anders als vielleicht in kulturwissenschaftlichen – kaum ablesbar ist, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Nationalsozialismus auch in diesem Bereich schnell durchsetzte. "Die Ersten, die ein rassistisches Studentenrecht durchsetzten, waren die TH und die Boku im Studienjahr 1924/25", sagt Ebner. "Umgesetzt wurde das damals an der TH von Rudolf Saliger, der 1938 erneut Rektor war. Dass er ein glühender Deutschnationaler war, findet man aber nicht in seinen wissenschaftlichen Schriften."

In der Festschrift von 1965 war die Aufarbeitung der Nazi-Herrschaft noch kein Thema. In einem gleichzeitig erschienenen "Ehrenbuch der Opfer des Zweiten Weltkriegs" wurde zwar der gefallenen Soldaten, der Opfer des Bombenkriegs und eines in Mauthausen ermordeten christlichen Widerstandskämpfers gedacht, nicht aber der vertriebenen und ermordeten Juden.

Systematische Personenrecherche

Eine genaue und systematische Aufarbeitung der TH in der Zeit des Nationalsozialismus erfolgte erst in einem von Ebners Kollegin Juliane Mikoletzky geleiteten Forschungsprojekt in den Jahren 2001 bis 2004. Eine damals erarbeitete Datenbank mit Informationen über Vertriebene war einer der Ausgangspunkte für die gegenwärtige Publikation. Dazu kam eine Liste mit "Nichtariern" an der TH aus dem Jahr 1938 sowie Personenrecherchen in Datenbanken wie jener in puncto Holocaustopfer der Gedenkstätte Yad Vashem, des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) oder der US-Sozialversicherung. Als wichtige Quelle haben sich zudem Zuschriften an die TH aus den Nachkriegsjahren erwiesen, in denen nach Studienbestätigungen gefragt wurde.

Ebner und seine Kolleginnen entschieden sich dazu, in den Band nur jene aufzunehmen, die nach dem 11. März 1938 – dem Tag des "Anschlusses" – noch eine Aktivität an der Universität gesetzt haben. "Natürlich gibt es viele Personen, die verfolgt wurden, aber schon früher von der TH abgegangen sind", erklärt Ebner. "Insgesamt enthält unsere Datenbank 1100 Namen."

Aufwändige Recherche

Nachdem es damals Praxis war, noch viele Jahre nach der letzten Inskription Prüfungen abzulegen, mussten die Hauptkataloge bis zurück in die 1920er-Jahre geprüft werden, um die aktiven Studierenden des Jahres 1938 herauszufinden. Der Aufwand soll aber fortgesetzt und die Aufarbeitung der Vertriebenenschicksale weiter betrieben werden, so Ebner.

Es sind nur jeweils wenige Zeilen über die Schicksale der 265 Studierenden und 60 Mitarbeiter, die in dem schmalen Band aufgelistet sind. Der überwiegende Teil war rassistischer Verfolgung ausgesetzt, ein großer Teil der Nichtstudierenden auch politischer Verfolgung. Die Recherche offenbart nicht nur, wie viel Intelligenz Österreich in diesen Jahren abhandenkam, sondern auch die Tragik und Irrationalität des Krieges. Johann Walter Burstyn etwa wurde von den Nazis zuerst als "Mischling" geführt, bevor er dank seines Vaters, eines Panzerkonstrukteurs im Ersten Weltkrieg, 1940 als Vollarier eingestuft wurde – was natürlich auch zur Folge hatte, dass er zur Wehrmacht eingezogen wurde. 1941 fiel er in Russland. (Alois Pumhösel, 16.3.2017)