Stammen aus dem wenig aufregenden Hoboken und sind seit fast 40 Jahren eine Band im Normalo-Look: The Feelies.

Foto: Bar / None Records

Wien – Cool waren sie nie. Schon ihre Herkunft definierte sie als Außenseiter, als Landeier: Hoboken in New Jersey, eine Stadt wie ein Makel. Gut, Frankie Boy Sinatra stammte von dort, aber sogar der musste nach New York fahren, über die Brücke oder durch den Tunnel, in die Stadt, die niemals schläft. Die Feelies hingegen, die blieben in Hoboken. Bis heute.

1980 veröffentlichte die Band ihr epochales Debütalbum Crazy Rhythms. Ein zappeliges Meisterwerk inmitten des Postpunk, gespielt von vier nervösen jungen Männern: Leptosome Brillenträger in braunen Pullundern, gescheitelt von Muttis strenger Hand. Sachbearbeiter sahen so aus, nicht Popstars.

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Obwohl sie also drüben in New Jersey lebten, wurden sie Downtown Manhattan als großes Ding gehandelt. Und so anders sahen die Talking Heads damals auch nicht aus. Doch während man den Talking Heads ihren Normalo-Look als "sophisticated twist" anrechnete, schien er bei den Feelies die reine Not der Vorstadt zu sein.

Dennoch: Abseits des Mainstreams wuchs diese Band zu einer der großen Konstanten der Ostküste, war etwa den ebenfalls aus dem Hinterland kommenden R.E.M. Vorbild und Einfluss.

In großen Abständen veröffentlichte die Gruppe sechs Alben. Sogar eine zwanzigjährige Pause gab es, bevor sie 2011 mit Here Before zurückkehrten, als wären sie nur mal kurz beim Nachbarn drüben gewesen. Tatsächlich gingen die Mitglieder in all den Jahren Day Jobs nach und gaben meist nur am Wochenende Konzerte im Umland. Nun haben sie das Album In Between veröffentlicht.

Mit einem Riff ins Epische

Das Cover zeigt die Baumkronen einer Allee. Der Himmel ist farblos, Aufregung geht anders. Das fügt sich ins Gesamtwerk. Immer schon inszenierten sich die Feelies zurückhaltend. Ihre Plattenhüllen zeigten die Natur, Felder oder Häuser, wie sie in jeder US-Kleinstadt rumstehen. Dieser Durchschnittlichkeit entspringt ihre Musik. Gleichzeitig ist sie der Kontrapunkt zur vermeintlichen Durchschnittlichkeit. Die sich zuerst unauffällig einschleichenden Songs werden oft plötzlich von einem Riff ins Epische bugsiert. Man höre nur das Lied Higher Ground vom Album Only Life.

Die frühe Zappeligkeit, die sich in prächtiges Gitarren-Schrummschrumm und musikalische Achterbahnfahrten wie Loveless Love erging, wich über die Jahre einem getragenen Gestus. Heute wirkt ihr Werk wie die Biografie eines Menschen, der nach fast 40 Jahren im Geschäft etwas braucht, um in die Gänge zu kommen.

Ein paar Songs lang räkeln sich Glenn Mercer und Co. Sie steigen aus dem Bett, schlurfen zur Morgentoilette, zum Kaffee, erst dann geht es los. Ein Song wie Flag Days deutet die hypnotische Energie an, die die Feelies freizusetzen imstande sind. Eingelöst wird das mit Gone Gone Gone. Schrummelgitarrenekstase in Freizeitmode, Nerds bei der Arbeit.

In den USA genießt die Band schon lange Kultstatus. Ihre Musik taucht in Hollywoodfilmen und populären TV-Serien auf. Nichts davon scheint besonderen Eindruck bei den Mitgliedern zu machen. Teilweise schon pensioniert, spielen sie weiter ihr Lied.

Vielleicht muss man warten, bis sie sich alle zur Ruhe gesetzt haben, um sich in kürzeren Abständen über neue Alben freuen zu können. Ruhelos im Ruhestand, das würde passen. Die Feelies halten sich derweil bedeckt. Ein Song auf In Between heißt: Time Will Tell. Nun denn. (Karl Fluch, 21.3.2017)