Eine fantastische Reise vom Anfang des Lebens bis zum Ende der Welt: Hannah Blacks Videoinstallation "Beginning, End, None".


Foto: Mumok / Klaus Pichler

Wien – Eigentlich möchte man annehmen, dass die kleinste Einheit des Lebendigen, die Zelle, noch frei von sozialen Reglementierungen ist. Frei von gesellschaftlichen Normen und Zwängen; frei von rassistischen oder geschlechtsspezifischen Zuschreibungen. Dass die biologische, scheinbar neutrale Sicht auf das Leben aber keineswegs frei von politischen Implikationen ist, zeigt Hannah Black in ihrer Personale im Mumok auf. Small Room heißt die Präsentation der Videokünstlerin, Autorin und Theoretikerin.

Neben wissenschaftlichen Abbildungen, die Einblick in das Innenleben einer Zelle gewähren, recherchierte Black für ihre Videoinstallation Beginning, End, None Bilder, mit denen in Lehrbüchern die "Arbeit" von Zellen vermittelt wird: Die sich wiederholenden Zellvorgänge werden stets mit der Metapher einer Fabrik umschrieben, in der unaufhörlich gearbeitet wird. Auf diesen Vergleich zurückgreifend, inkludierte sie in ihr Video dann auch Bilder, die auf die Geschichte von Fließbandarbeit, industrieller Massenproduktion, Ausbeutung, Kapitalismus verweisen.

Manches Bildmaterial filmte Black selbst, etwa auf einer Zugfahrt oder in einer Planetariumsschau. Als Hauptquelle diente ihr aber das Videoportal Youtube, wo sie etwa eine Fluoreszenzmikroskopie fand. Die Montage gleicht einer fantastisch-experimentellen Reise vom Anfang des Lebens im Universum bis zum Ende der Welt, wobei alles parallel abläuft.

Hannah Black, unter anderem auch Redakteurin der New Yorker Zeitschrift The New Inquiry, hat sich ausgehend von feministischen Theorien sowie dem Marxismus und der Critical-Race-Theory immer wieder mit Fragen äußerer Merkmale wie Hautfarbe, Alter, Geschlecht befasst. Dieses Mal ließ sie diese Kategorien zumindest vorderhand hinter sich.

In der mit Science-Fiction-Elementen aufgeladenen Videoarbeit hat die Künstlerin, die derzeit auch in Häusern wie dem New Museum in New York oder The Whitechapel in London ausstellt, die Zelle schließlich noch mit "The Cell", der Gefängniszelle, in Beziehung gesetzt. Mit Bildern einer panoptischen Architektur referiert Black auf Michel Foucault, der mit seinen Theorien zur Disziplinargesellschaft die feministische Theorie stark beeinflusste.

Mit dem Terminus Bio-Macht kommt in Blacks Arbeit noch ein weiterer Begriff Foucaults hinzu: Der französische Philosoph thematisierte damit die Kontrolle über den gesamten Bevölkerungskörper durch die Regulierung von Fortpflanzung, Geburten- und Sterblichkeitsraten etc. Dass das Leben längst kontrolliert und mittlerweile auch verstärkt kommerzialisiert wird, darauf will in der Ausstellung ein 3-D-Modell eines Zellprozesses hinaus. An eine Coca-Cola-Flasche erinnernd, dreht es sich auf einem hypermodernen Werbedisplay.

Ein unausgefülltes Formular

Am Disparaten, Gegensätzlichen interessiert, hat Black der glatten Video- und Displayästhetik aber auch Verweise auf die Tradition feministischer (Körper-)Kunst à la Eva Hesse entgegengesetzt: Wie auf einer Wäscheleine drapierte sie hautfarbene Latexassemblagen, eine davon ist mit poppigen Tattoos beklebt.

Live nannte die Künstlerin die solcherart "belebte" Membran – und Life heißt die begleitende Publikation, in der es ebenfalls ein "Arschgeweih" gibt. Ausgehend vom Wikipedia-Eintrag zu "Leben" bzw. "Life" verfasste Black gemeinsam mit der Künstlerin Juliana Huxtable eine Novelle, in der zwei pensionierte Risikoanalytikerinnen den drohenden Weltuntergang abwenden sollen.

Das, was die literarische und künstlerische Arbeit Blacks ausmacht – ein hohes Maß sowohl an Reflexions- als auch an Fabulierkunst -, kommt auch darin zum Tragen: "Das Leben erscheint mir wie ein leeres Formular, das ich jetzt ausfüllen muss", so beginnt der Text. Auf sehr lustvolle, experimentelle Weise verbinden die Autorinnen darin politischen Aktivismus mit eigenen Liebesgeschichten, feministische Theorie mit dem Weltgeschehen und eben ein Arschgeweih mit dem Denken von Georges Bataille. (Christa Benzer, Spezial, 24.3.2017)