Ernst Ludwig Kirchners "Fehmarnlandschaft" (1914) aus der Sammlung Werner gastierte einst in der Albertina.


Foto: Wienerroither & Kohlbacher

Wien – Dauerleihgaben, die Institutionen anders als bei herkömmlichen Leihgaben nicht nur für eine Ausstellung, sondern für eine längere Dauer anvertraut werden, gehören mittlerweile fast schon zum Museumsalltag. In welchem Ausmaß mit diesem Modell operiert wird, hängt von den jeweiligen Direktoren ab. Die Handhabung fällt, wie die Praxis zeigt, unterschiedlich aus. Manche verzichten gänzlich, anderen sind sie willkommene Besuchermagneten. Beim Städel-Museum, erzählt Max Hollein (Direktor Fine Arts Museums San Francisco), habe er "in der Sammlung eine sehr restriktive Politik verfolgt" und nur beim Aufbau des zeitgenössischen Bestandes stärker damit gearbeitet, sofern ein "immerwährender Verbleib im Museum garantiert" war.

Der Umgang, ist er überzeugt, müsse der "strategischen Ausrichtung einer Institution folgen – basierend auf ihrer Geschichte, ihren Beständen und ihrer Usancen des Sammlungsaufbaus". "Nicht unser Plan A", so Matti Bunzl, Direktor des Wien-Museums, "denn wir verwalten eine öffentliche Sammlung." Daraus resultiere "das Ziel, diese zu erweitern" – und zwar für permanent, nicht nur vorübergehend.

Die Sammlung Werner

Mumok-Chefin Karola Kraus entschied sich aus Kostengründen dezidiert dagegen und retournierte zwischenzeitlich all jene Leihgaben, "die in Zukunft zu keiner Schenkung führen werden". Auch im Belvedere sah man ob wirtschaftlicher Überlegungen in den vergangenen Jahren von der Übernahme umfangreicherer Konvolute ab. Die mit Abstand größte Menge an Dauerleihgaben zog Klaus Albrecht Schröder in seiner nunmehr 18 Jahre währenden Albertina-Ära an Land. Darunter 2009 etwa die Sammlung Werner mit rund 90 Werken deutscher Expressionisten, der man die Schau Kirchner, Heckel, Nolde widmete.

"Es war eine einmalige Chance, diese Sammlung überhaupt bekanntzumachen", so Schröder. Die Erbin sei sich ja nicht einmal der Bedeutung dieser Kollektion bewusst gewesen. Das änderte sich schnell, denn bald fungierte der Ausstellungskatalog als Verkaufsutensil, wie STANDARD-Recherchen belegen. Noch vor Ende der Leihfrist 2016 wurden Werke aus der Albertina abgezogen. Auf Kunstmessen im In- und Ausland tauchten 2014 erste Aquarelle von Emil Nolde und Karl Schmidt-Rottluff auf.

Bis heute profitiert die ehemalige Leihgeberin von der staatlich subventionierten wissenschaftlichen Aufbereitung und der damit verbundenen Wertsteigerung ihres Erbes. Ernst Ludwig Kirchners Fehmarnlandschaft mit Bäumen war jetzt in Maastricht mit drei Millionen Euro veranschlagt. Die bis zum Essl-Deal umfangreichste Dauerleihgabe (bis 2027) war jene von Herbert Batliner. Sie wuchs seit 2007 von 751 auf 919 Werke, um Zukäufe "im Wert von fast 40 Millionen Euro", und, so Schröder, "wir durften ihm auch Anregungen geben". Die Sammlung Batliner spielt vor allem im internationalen Leihverkehr eine wichtige Rolle. Gebühren werden hierfür laut Albertina nicht verrechnet, dafür bekomme man Leihgaben von anderen Museen. Ob Aufwand und Nutzen in einem Verhältnis stehen, obliegt in Österreich den Museumsdirektoren.

Woher die Gelder stammen, mit denen Leihgeber ihre Kunstkäufe tätigen, scheint hierzulande bisher kein Thema gewesen zu sein. Dabei geht es keineswegs darum, Sammler unter Generalverdacht zu stellen, sondern um die Einhaltung internationaler Geldwäscherichtlinien. "Daran müssen sich selbstverständlich auch Museen halten", ist Finanzjurist Werner Doralt überzeugt. Dafür sei er nicht zuständig, erklärt Schröder und verweist auf die Finanzbehörde. Doralt sieht das anders. "Eine Dienstanweisung des zuständigen Ministers" täte not, würde man auch Privatstiftungen (u. a. Leopold-Museum) in die Pflicht nehmen wollen, bedürfe es freilich einer gesetzlichen Regelung. (Olga Kronsteiner, 23.3.2017)