Wenn es um Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich geht, lassen sich keine Langzeittrends erkennen. Grund sind fehlende Daten – das soll sich nun ändern.

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Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) will einen "Gesundheitskompass" für alle Schüler einführen. In diesem sollen die Gesundheitsinformationen, die bei den jährlichen Untersuchungen der Schulärzte erhoben werden, dokumentiert werden. Die Daten sollen außerdem bundesweit erfasst und zentral ausgewertet werden, fordert Karmasin.

Der Anteil übergewichtiger und chronisch kranker Kinder in Österreich steige, so Karmasin. 24 Prozent der Sieben- bis 14-jährigen Kinder in Österreich seien übergewichtig – fünf Prozent mehr als noch im Jahr 2009. Der Anteil der Zehn- bis 18-Jährigen mit psychischen Erkrankungen liege bei 22 Prozent. 16 Prozent aller Elf- bis 15-Jährigen seien chronisch krank. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, seien Präventionsprogramme unerlässlich. Es sei jedoch nicht möglich, Langzeittrends zu erkennen, da es in Österreich keine bundesweiten und regelmäßigen Datenerhebungen zur Kinder- und Jugendgesundheit gebe, so Karmasin.

Rund 2.400 Schulärzte betreuen die 1,2 Millionen schulpflichtigen Kinder in Österreich. Sie führen einmal jährlich eine Gesundenuntersuchung bei allen Schülern durch. Die Gesundheitsblätter werden jedoch nicht zentral erfasst und weitergeleitet, sondern in den Schulen gelagert und nach einer Aufbewahrungsfrist entsorgt. "Die Schulärzte machen einen großartigen Job, aber es fehlt die gesetzliche Grundlage, damit die erhobenen Daten substanziell weiterverarbeitet werden", sagt Karmasin. "Das sind fünf Tonnen Papier, die gesammelt und in den Schulkeller verfrachtet werden", kritisiert sie: "All diese Erkenntnisse liegen brach."

Auswertung vor 20 Jahren gestoppt

Die zentrale Auswertung der Daten sei 1997 gestoppt worden, weil die Finanzierung und der Datenschutz nicht geklärt gewesen seien, sagt Karl Forstner, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer. Dass man diese Fragen in den vergangenen 20 Jahren nicht habe lösen können, sei ihm unverständlich, kritisiert er.

An der Finanzierung könne es jedenfalls nicht scheitern, meint Karmasin. Es sei in einem ersten Schritt nicht nötig, alle Schulärzte mit einer EDV-Infrastruktur auszustatten, sondern wichtig sei, die Datenblätter zu sammeln. "Das kann nicht so teuer sein, das kostet keine 100.000 Euro", zeigt sie sich überzeugt.

Forstner übt außerdem Kritik daran, dass die Versorgung der österreichischen Schüler nicht gleichwertig sei. Die Schulärzte in Landesschulen hätten weniger Zeit für die Betreuung als jene in Bundesschulen. "Unser Anliegen ist, dass die Schulärzte wesentlich stärker in die Prävention einsteigen." (APA, 29.3.2017)