Innenminister Wolfgang Sobotka will zwar geltendes Recht einhalten, ist aber auch dafür, geltendes Recht zu ändern.

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Bei seinem Tirol-Besuch am Mittwoch konnte sich Innenminister Wolfgang Sobotka ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er zu Kanzler Christian Kerns Schwenk in Sachen Flüchtlingspolitik befragt wurde. Auch er halte das Relocation-Programm, das Kern per Brief an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aufkündigen möchte, für den falschen Weg – weil es ein Anziehungsfaktor für Flüchtlinge sei: "Wir senden damit das Signal aus, dass es jeder, der bis Griechenland oder Italien kommt, geschafft hat."

Zugleich gibt sich Sobotka staatsmännisch und verweist auf geltendes europäisches Recht bei der Flüchtlingsumverteilung. Als Innenminister habe er sich an dieses zu halten: "Und das werde ich auch tun." Dass ihn Kern nun rechts überholt habe, kommentiert er süffisant: "Ich frage mich, warum er bisher im Europäischen Rat dreimal für das Relocation-Programm gestimmt hat." Zwar begrüße er "diese 180-Grad-Wendung", vertraue dem Meinungsumschwung des Kanzlers aber nur bedingt. Sobotka verweist auf Kerns sich wandelnde Position in Sachen Türkei. Zumindest sei der Bundeskanzler diesmal "auf die richtige Seite umgefallen".

"70 Prozent ohne Asylgrund"

Er hoffe nun, der neue Kurs der SPÖ beziehe die Innenpolitik mit ein. Schließlich warte der Innenminister seit sechs Monaten auf das Fremdenrechtsänderungsgesetz. Sobotka nannte "dringlichere Probleme" als die 50 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, deren Aufnahme Kern mit seinem Vorstoß verhindern will: "70 Prozent derer, die kommen, haben keinen echten Asylgrund. Die Rückführung ist daher die einzige Lösung." Man verzeichne derzeit pro Tag rund 85 Grenzübertritte von Flüchtlingen im Bundesgebiet, so Sobotka: "Und wir haben schon jetzt rund 3.700 Leute in der Grundversorgung, die einen Ausweisetitel haben." Darum pochte der Innenminister auf die im Änderungsgesetz enthaltenen Verschärfungen wie die Streichung der Grundversorgung für illegal im Land aufhältige Personen und die gesetzlich verankerte Obergrenze für Asylwerber.

Auf europäischer Ebene propagierte Sobotka in der Flüchtlingsfrage damit jene Position, die auch ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner beim laufenden EVP-Kongress in Malta präsentierte. Mitterlehner will bei dem zweitägigen Treffen, zu dem ihn Außenminister Sebastian Kurz begleitet, einen Schulterschluss der europäischen Volksparteien zur Sicherung der EU-Außengrenzen erreichen.

"Wir müssen die illegale Migration nach Europa massiv eindämmen und die EU-Außengrenzen wirksam schützen, um die Freiheit nach innen zu bewahren", sagte Mitterlehner. "Dafür braucht es eine zeitgemäße Außen- und Sicherheitspolitik mit einem funktionierenden Asylsystem, EU-Grenzschutztruppen und EU-Asylzentren in Drittstaaten. Ich trete auch für die Schließung der Mittelmeerroute ein", erklärte der ÖVP-Chef.

Drei-Punkte-Plan der ÖVP

Die ÖVP-Resolution umfasst drei Punkte: Erstens sollen nicht Schlepperbanden, sondern die EU und ihre Mitgliedsstaaten entscheiden, wem und wie vielen Menschen Schutz innerhalb der Staatengemeinschaft gewährt wird. Zweitens sollen die EU-Außengrenzen durch eine Stärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex und der gemeinsamen Grenzpatrouillen mit benachbarten Drittstaaten effektiv geschützt werden, um die Reisefreiheit nach innen aufrechtzuerhalten.

Drittens schlägt die ÖVP unter dem Titel Resettlement die Errichtung von EU-Asylzentren in Drittstaaten vor, in denen im Einklang mit europäischen Mindeststandards vor Ort über Asylanträge und die Verteilung von Menschen mit positivem Bescheid auf EU-Mitgliedsstaaten entschieden wird. Wird ein Asylantrag abgewiesen, so soll der Betreffende direkt vom Asylzentrum in sein Heimatland zurückgebracht werden.

Mitterlehner trifft in Malta auch Kommissionspräsident Juncker und Ratspräsident Donald Tusk. Geplant ist zudem ein Gespräch mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel. (Steffen Arora, 29.3.2017)