Das AKW Fessenheim steht vor der Schließung.

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Paris – Wird es der Anfang vom Ende des Pannen-AKW Fessenheim? Der französische Stromriese EDF könnte am Donnerstag die Stilllegung von Frankreichs ältestem Atomkraftwerk beschließen. Doch der Ausgang der Abstimmung im Verwaltungsrat des Staatskonzerns ist ungewiss. Es gibt erhebliche Widerstände gegen das Abschalten der beiden Reaktoren, ein Wahlversprechen des scheidenden Präsidenten Francois Hollande.

Konkret soll der EDF-Verwaltungsrat am Donnerstag darüber abstimmen, ob ein Antrag auf einen Entzug der Betriebserlaubnis von Fessenheim gestellt wird. Das ist der entscheidende Schritt hin zu einer Schließung der beiden 1977 ans Netz gegangenen 900-Megawatt-Reaktoren.

Doch die sechs Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat des Staatskonzerns sind strikt gegen die Stilllegung. Sie fürchten um die rund 2000 Jobs, die direkt oder indirekt an Fessenheim hängen. Die sechs staatlichen Vertreter sind angewiesen, sich zu enthalten, um jeglichen Interessenskonflikt zu vermeiden – schließlich ist Fessenheim auch ein Streitthema zwischen dem Staat und EDF.

Notwendige Mehrheit

Bleiben die sechs restlichen Verwaltungsratsmitglieder einschließlich Konzernchef Jean-Bernard Levy, dessen Stimme doppelt zählt. Sie müssten geschlossen für eine Stilllegung von Fessenheim stimmen, damit die notwendige Mehrheit zusammenkommt.

Nach Angaben aus informierten Kreisen zögern einige dieser sechs Verwaltungsratsmitglieder aber noch: Sie fragen sich, ob nicht das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 23. April und 7. Mai abgewartet werden sollte. Schließlich haben die wichtigsten Kandidaten unterschiedliche Meinungen zur Zukunft der Atomkraft: Während der parteilose Favorit Emmanuel Macron an einer Schließung von Fessenheim festhält, sind der Konservative François Fillon und die Rechtspopulistin Marine Le Pen dagegen. Sie verteidigen die Atomkraft als saubere und sichere Technologie.

Schon bei der letzten Fessenheim-Abstimmung im EDF-Verwaltungsrat hatte es nur eine sehr knappe Mehrheit gegeben: Am 24. Jänner segnete das Gremium eine Entschädigungsvereinbarung zwischen Staat und Stromkonzern ab. Diese sieht eine Entschädigung von mindestens 489 Millionen Euro für EDF vor, damit Fessenheim vom Netz geht.

Dekret kann veröffentlicht werden

Stimmt der Verwaltungsrat jetzt für einen Entzug der Betriebserlaubnis, kann die französische Regierung ein Dekret zur Stilllegung veröffentlichen. Dann muss EDF zusammen mit der französischen Atomsicherheitsbehörde ASN einen Plan zur Schließung und zum Rückbau von Fessenheim erarbeiten.

Angepeilt ist eine Stilllegung für Ende 2018. Denn dann soll im nordfranzösischen Flamanville ein neuer Reaktor in Betrieb gehen – und wegen einer 2015 festgelegten Obergrenze für die Atomstromkapazitäten muss Fessenheim im Gegenzug spätestens dann vom Netz.

Umweltschützer, aber auch die Bundesregierung fordern seit Langem eine Abschaltung von Fessenheim. In dem Atomkraftwerk, das 30 Kilometer südwestlich von Freiburg im Breisgau liegt, kommt es immer wieder zu Zwischenfällen. Kritiker verweisen zudem auf das Erdbebenrisiko in der Region und die Gefahr einer Überschwemmung bei einem Bruch des Dammes, der das AKW vom Rheinkanal trennt.

In Frankreich ist die Atomkraft allerdings viel weniger umstritten als beispielsweise in Deutschland. Das hängt auch mit Frankreichs Abhängigkeit vom Atomstrom zusammen: Die 58 Reaktoren decken rund 75 Prozent des Strombedarfs des Landes. Ein 2015 verabschiedetes Energiewende-Gesetz sieht vor, dass dieser Anteil bis 2025 auf 50 Prozent gesenkt werden soll. (APA, 5.4.2017)