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Juncker antwortete Kern.

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Wien/Brüssel – Ganz überraschend kommt die Antwort von Jean-Claude Juncker nicht. Der EU-Kommissionspräsident informierte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am Mittwoch in einem Brief darüber, dass Österreich zur Aufnahme von Flüchtlingen im Zuge des EU-Umverteilungsprogramms gesetzlich verpflichtet sei. "Ich vertraue daher darauf, dass Österreich seinen rechtlichen Verpflichtungen nachkommen wird und mit der Umverteilung sowohl aus Italien als auch aus Griechenland beginnt", schreibt Juncker.

Wie berichtet, haben die EU-Staaten vor zwei Jahren Italien und Griechenland zugesagt, 98.255 Flüchtlinge zu übernehmen, auf Österreich entfallen 1953 (1491 aus Griechenland, 462 aus Italien).

Kein plötzlicher Zustrom

Bis März dieses Jahres hatte Österreich eine Ausnahmeregelung, nun wollte Kern eine weitere Aussetzung erreichen, für die Juncker aber keine Notwendigkeit sieht. Er verwies in seinem Brief auf die rückläufigen Asylzahlen. "Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Situation in Österreich daher rechtlich nicht als 'plötzlicher Zustrom' von Drittstaatsangehörigen charakterisiert werden, der eine weitere Aussetzung ... rechtfertigen würde."

Die Umverteilung von Flüchtlingen ist für ihn "ein Ausdruck von Solidarität und gerechter Aufteilung der Verantwortung". Griechenlands Aufnahmefähigkeit werde in erster Linie durch das EU-Türkei-Abkommen in Anspruch genommen, heißt es. In Italien wiederum seien im Vorjahr "so viele Neuankünfte wie nie zuvor registriert worden". Zudem seien die Flüchtlings- Hotspots in den beiden Ländern mittlerweile "voll funktionsfähig", und die logistische Unterstützung für die Umsiedlung sei "voll eingerichtet".

Niedriger als erwartet

Der Kommissionspräsident deutet aber auch an, dass Österreich am Ende vielleicht deutlich weniger als die vereinbarten 1953 Flüchtlinge übernehmen müsse. Die Zahl jener, die für eine Umverteilung in Betracht kommen, sei nämlich "weit niedriger als die in den Ratsbeschlüssen gesetzten Ziele".

Was damit gemeint ist: Nicht jeder Asylwerber kommt für das Relocation-Programm infrage, sondern nur jene, die eine "hohe Wahrscheinlichkeit" auf einen positiven Bescheid haben. Ob diese gegeben ist, prüfen die Behörden vor Ort in Abstimmung mit den europäischen Partnern.

Im Innenministerium in Wien will man sich derzeit noch auf keine Schätzungen einlassen. Klar sei aber, dass man nun mit dem Programm starten werde, wie ein Sprecher von Minister Wolfgang Sobotka erklärte.

An Verträge gebunden

Inhaltlich hat freilich auch der ÖVP-Politiker mehrfach deponiert, dass er die Umverteilung nicht für den richtigen Weg halte. Allerdings sei man eben an bestehende Vereinbarungen gebunden.

In diese Richtung ging zuletzt auch die Kern-Argumentation. Nachdem SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil zunächst noch die Rechtsansicht vertrat, Österreich sei gar nicht zur Übernahme von Flüchtlingen verpflichtet, stellte Kern vergangene Woche klar: Verträge seien einzuhalten, man werde es nicht auf ein Vertragsverletzungsverfahren ankommen lassen.

Schrittweise nachkommen

Trotz des Juncker-Briefes hofft der SPÖ-Chef auch noch immer auf ein Entgegenkommen der Kommission. Gegen Ende des Schreibens bietet Juncker den heimischen Behörden nämlich Unterstützung dabei an, "ihren rechtlichen Verpflichtungen schrittweise nachzukommen", wobei das Wort schrittweise auch noch unterstrichen ist. Natürlich werde man dabei "die Solidarität berücksichtigen, die Österreich in der Vergangenheit bewiesen hat".

Im Kanzleramt interpretiert man das dahingehend, dass vielleicht doch noch ein gewisser Spielraum bei Zahl und Zeitraum der Relocation-Verpflichtungen bestehe. Man sehe jedenfalls eine "gute Basis für weitere Gespräche". (go, 5.4.2017)