In Hermann Bayers Bildern feiern die Stile der Moderne friedliche Koexistenz.

Foto: Privatsammlung, Liechtenstein

Roland Kollnitz sucht einen skulpturalen Zugang dazu.

Foto: Belvedere

Kollnitz-Skulpturen im Dialog mit Malerei von Hermann Bayer.

Foto: Roland Kollnitz

Wien – Um als Maler Anerkennung zu finden, ist es bekanntlich nie zu spät. Mit einer kleinen Schau im Keller des 21er-Hauses will Kurator Harald Krejci den der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten und 2012 ungewürdigt verstorbenen Maler Hermann Bayer vor dem Vergessen bewahren. In der mit "Zufallsbekanntschaft" betitelten Ausstellung hat der aufstrebende Bildhauer Roland Kollnitz Bayers Arbeiten in sein Konzept integriert. Die Karrieren der beiden könnten dabei nicht unterschiedlicher verlaufen sein.

Während Kollnitz (45) nach Assistenzjahren bei Franz West schnell im Kunstbetrieb Fuß gefasst hat und international gefragter denn je ist, musste Bayer geradezu klischeehaft das Schicksal vom verkannten Künstler durchleben. Mit dem kuratorischen Kniff – der arrivierte Junge bringt Aufmerksamkeit und Publikum für den übersehenen Alten – gelingt nun, spät aber doch, die institutionelle Aufarbeitung einer bemerkenswerten Position österreichischer Avantgardekunst.

1936 in Innsbruck in bescheidene Verhältnisse hineingeboren, absolviert Bayer ein Studium an der Wiener Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt. Erste Erfolge mit abstrakten Arbeiten gipfeln 1970 in einer Personale in der Secession, Medienecho inklusive. Dann aber reißt der Faden. Unwillig zur Selbstvermarktung und enttäuscht vom Wiener Kunstbetrieb, zieht sich Bayer bis zu seinem Tod nahezu vollständig aus der Öffentlichkeit zurück.

Am Existenzminimum dahinschrammend entstehen während der nächsten zwanzig Jahre in seinem Wiener Atelier völlig unbehelligt jene Bilder, die nun im 21er-Haus zu sehen sind. Bayer verkauft sie an Freunde und Bekannte, die meisten landen in der Schweiz, Italien und Liechtenstein, woher auch die jetzt Gezeigten stammen. 1997 ersteht der Sammler Rudolf Leopold sieben Arbeiten. 2012, ausgerechnet im Todesjahr des Künstlers, verwechselt ihn das Leopold-Museum mit dem bekannteren Herbert Bayer. Ein Fauxpas, den das 21er-Haus nun wettmacht.

Was ist zu sehen? Organisches neben Scharfkantigem, Dreidimensionales neben Flächigem. Unfertiges, Hingepatztes, direkt neben Feinmalerei. Bayer zitiert den Surrealismus, die konstruktivistischen Raster Piet Mondrians oder den abstrakten Expressionismus bis hin zum Action-Painting und verschiedene Pop-Art-Positionen. Er beschwört das Fortleben moderner Stilrichtungen im postmodernen Rahmen. Ausgewogen komponiert, farblich stimmig, nie vulgär überschießend.

Ausstellung als Baustelle

Apropos Rahmen: Den malt Bayer auf ironische Art meist direkt mit ins Bild hinein – illusionistische Trompe-l'oeil-Effekte, mit denen er auch Löcher, Falten, Schlitze und Auswüchse der Leinwand andeutet und damit jene parodiert, die einst mit Tätlichkeiten gegen die Leinwand das Ende der Malerei markieren wollten.

Roland Kollnitz' Arbeiten können in puncto technischer Finesse gegen Bayer nur verlieren. Sie sollen es auch. Denn dass die Stahlstangen und Dokaplatten, aus denen Kollnitz seine Objekte arrangiert, den Betrachter unweigerlich zur Frage führen, ob man es hier mit einer Ausstellung oder doch eher Baustelle zu tun hat, ist dem Künstler ganz recht. Das Museale aufzubrechen liegt im Wesen von Kollnitz' Arbeit. Entsprechend offenherzig hat er auch gleich seine ganze Werkbank in die Schau integriert. Die Simulation einer Atelierszenerie, in der Bayers Bilder quasi zum Material werden, ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund von Bayers Schicksal konsequent gedacht.

Exemplarisch stellt sich an diesem Punkt aber auch die Frage, wie frei Künstler in einer solchen Zusammenschau mit den Werken des anderen hantieren können sollen – scheint doch der Umgang mit Bayers Bildern teils wenig schmeichelhaft: In der wild zusammengewürfelten Wohnzimmerhängung geht manches erstaunliche Detail unter. Andere Bayer-Bilder stellt Kollnitz auf eine Art Staffelei mit der Rückseite zum Betrachter auf. Schlechte Beleuchtung mittels billigen Leuchtstoffröhren tut ihr Übriges. Man muss schon viel Entdeckungswillen mitbringen, um da nicht enttäuscht kehrtzumachen. Es lohnt, genau hinzusehen. (Stefan Weiss, 7.4.2017)