Wir leben in einer gloriosen Zeit. Um früher Experte für irgendetwas zu sein, musste man jahrelang in Hörsälen sitzen, Bücher lesen und Prüfungen absolvieren. Sogar Berufserfahrung war gefordert! Heute googelt man zehn Minuten im Internet und ist im Handumdrehen Astrophysiker, Psychotherapeut, Moraltheologe, Nahostspezialist, Staatsanwalt, Spitzendiplomat, Gastroenterologe, Militärstratege, Verfassungsrichter, Dachdeckermeister oder alles zugleich.

Man könnte das Demokratisierung nennen. Jeder weiß gleich viel wie jeder andere, und wer glaubt, er wisse mehr, ist ein anmaßender Esel. Mit ihrem Wissensdünkel sind die "Experten" dem Normalbürger lang genug auf die Nerven gegangen. Kein Mensch kann erklären, warum ein dahergelaufener Immunologe mehr vom Impfen verstehen sollte als ein Impfgegner mit einem gesunden Hausverstand.

Donald Trump hat dies bestens durchschaut. Er lässt gerade seinen Schwiegersohn als Ersatzaußenminister um den Globus reisen, obwohl Herr Kushner mit internationalen Beziehungen zuvor nie etwas am Hut hatte. Gut so. Wenn man idiotische Tintenburgen wie das State Department ausräumt, spart das nicht nur Steuergeld, es hat auch einen enormen Zusatzvorteil: So bleibt mehr Geld für Trump übrig!

Leider gibt es immer noch humorlose Defätisten wie den US-Sicherheitsexperten (!) Tom Nichols. Der behauptet in seinem Bestseller The Death of Expertise glatt, das Jeder-ist-Fachmann-für-alles-Phänomen sei Krankheitszeichen "einer narzisstischen Kultur, die nicht einmal mehr die leiseste Andeutung irgendeiner Ungleichheit ertragen kann". Zum Beleg, dass dies nichts Gutes sei, zitiert er eine Umfrage, in der jene Amis, die mit Abstand am wenigsten Ahnung von der Ukraine hatten, mit Abstand die stärksten Überzeugungen vertraten, wie mit der Ukraine umzugehen sei.

So what? Wieso sollte man sich von einem akademisch verbildeten Hirnchirurgen operieren lassen, wenn man auch einen spontanen und wissbegierigen Hobbychirurgen haben kann? Warum sollte man sich beim nächsten Sexualverbrechen nicht den umständlichen Gerichtsklimbim ersparen und lieber per Internet abstimmen, ob man dem Delinquenten die Testikel kupieren oder ihn am nächsten Baum aufhängen sollte? Mir taan nämlich kaan Richter brauchen, und Experten noch viel weniger. (Christoph Winder, Album, 7.4.2017)